In der Praxis wird das Verfahren zum Familiennachzug dadurch eingeleitet, dass das nachzugswillige Familienmitglied persönlich bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung vorspricht und dort ein Visum zum Zweck der Familienzusammenführung beantragt. Weiterführende Informationen zum Ablauf des Verfahrens sind nachstehenden Ausführungen zu entnehmen.
Da die Auslandsvertretungen unterschiedliche Systeme bei der Vergabe von Terminen nutzen, wird dringend empfohlen, sich im Einzelfall über die Webseite der jeweiligen Auslandsvertretung zu informieren. Weiterführend: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/DtAuslandsvertretungenA-Z-Laenderauswahlseite_node.html
Es sollte zudem immer aktuell auf Hinweise geachtet werden, ob im Falle der gleichzeitigen Antragstellung durch mehrere nachzugswillige Familienangehörige eine gesonderte Terminbuchung für die einzelnen Familienmitglieder erforderlich ist.
Für die Buchung des Vorsprachetermins ist es in der Regel erforderlich nachfolgende Daten bereitzuhalten:
Ergibt sich in der Beratung, dass ein Sachverhalt von besonderer humanitärer oder medizinischer Bedeutung vorliegt, der sich im Einzelfall von einer Vielzahl der Antragsverfahren abhebt, kann es Sinn machen, mit der zuständigen Auslandsvertretung Kontakt aufzunehmen, um dort um einen Sondertermin für die nachzugswillige Person zu bitten. Dabei sollte der Sachverhalt so ausführlich wie möglich dargelegt und mit entsprechenden Nachweisen (z.B. medizinischen Attesten) untermauert werden. Die Möglichkeit eines Sondertermins wird von den Auslandsvertretungen gerade mit Blick auf das Gleichbehandlungsgebot und zur Vorbeugung etwaiger Korruptionsvorwürfe sehr restriktiv angewendet.
Sondertermine werden oftmals auch für unbegleitete minderjährige Personen gewährt (zur Möglichkeit eines Sondertermins bei drohender Volljährigkeit vgl. Nachzug der Eltern zu unbegleiteten Minderjährigen). Diesbezügliche Hinweise sollten im konkreten Einzelfall immer aktuell auf der jeweiligen Interseite der deutschen Auslandsvertretung geprüft werden.
Hinweis! Hat die den Nachzug begehrende Person schließlich nach langer Wartezeit einen Termin zur Vorsprache bei einer deutschen Auslandsvertretung erlangen können und befindet sich diese Auslandsvertretung nicht im Herkunftsland bzw. in dem Land, in welchem diese Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, kommt es häufig zu Problemen bei der Einreise in den entsprechenden Staat. Im Rahmen der Beratung ist daher dringend zu empfehlen, dass sich die Betroffenen rechtzeitig über die Einreisebedingungen informieren. Hierzu finden sich vereinzelt Hinweise auf den Internetseiten der deutschen Auslandsvertretung. Gegebenenfalls kann eine solche Auskunft auch über IOM eingeholt werden .
Sollte trotz entsprechender Vorkehrungen ein Termin in der Auslandsvertretung nicht wahrgenommen werden können, ist es sinnvoll unter Vorlage der Terminbestätigung direkt mit der Botschaft in Kontakt zu treten, um im Einzelfall zu klären, ob kurzfristig ein erneuter Vorsprachetermin gewährt werden kann.
Die Antragstellung erfolgt bisher, in dem das nachzugswillige Familienmitglied im Rahmen des zuvor vereinbarten Termins persönlich bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung vorspricht und dort die notwendigen Unterlagen für ein Visum zum Zweck der Familienzusammenführung einreicht.
Das Erfordernis der persönlichen Antragstellung gilt grundsätzlich für jede Person (unabhängig ihres Alters), die den Nachzug begehrt und dient der Klärung der Identität im Visumsverfahren, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG.
Auch minderjährige unbegleitete Personen müssen in der Regel persönlich bei Auslandsvertretung zum Zwecke der Identitätsfeststellung vorstellig werden. „Unbegleitet“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die minderjährige Person nicht durch einen sorgeberechtigten Elternteil zur Auslandsvertretung begleitet werden kann, weil dieser sich beispielsweise bereits in Deutschland aufhält. Zum Zweck der wirksamen Antragstellung muss dieser Personenkreis von einer volljährigen Person begleitet werden, die u.a. den Visumsantrag anstelle ihres in Deutschland aufhältigen Elternteils unterschreiben kann. Hierzu kann eine vertraute, volljährige Person aus dem Familien- oder Bekanntenkreis schriftlich bevollmächtigt werden.
Sollte sich am Aufenthaltsort des Kindes keine bekannte Person zur Begleitung befinden, ist es ratsam, mit der Auslandsvertretung bereits vor dem Termin zur persönlichen Vorsprache Kontakt aufzunehmen und die Situation darzulegen. Eine Begleitung kann hier unter Umständen durch das Familienunterstützungprogramm der Internationalen Organisation für Migration (IOM) organisiert werden.
Zur grundsätzlichen Notwendigkeit der persönlichen Vorsprache und der Zumutbarkeit langer Wartezeiten auf einen Vorsprachetermin bei einer Auslandsvertretung vgl. die Rechtsprechung zur Antragsstellung von afghanischen Antragsstellenden: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.12.2021 - 6 S 32/21 - asyl.net: M30861, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.12.2021 - 6 S 47/21 - asyl.net: M30505, VG Berlin, Beschluss vom 11.01.2022 - 21 L 640/21 V - asyl.net: M30398, VG Berlin, Beschluss vom 28.01.2022 - 37 L 4/22 V - asyl.net: M30396, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.02.2022 - 6 S 56/21 - asyl.net: M30860.
Zum Erfordernis der persönlichen Vorsprache bereits kritisch: VG Berlin, Beschluss vom 28. Juni 2016 - 4 K 135.16 V(PKH) – asyl.net: M24137, Asylmagazin 4/2017, VG Berlin, Urteil vom 07.11.2017 - 36 K 92.17 V (Asylmagazin 3/2018, S. 94 ff.) - asyl.net: M25744 und Behnke, „Familiennachzug zum anerkannten syrischen Schutzberechtigten – eine Betrachtung der Verwaltungspraxis des Auswärtigen Amtes“, InfAuslR 1/2017, S. 5-8.
Mit der „Afrin“-Entscheidung vom 18.04.2023 (EuGH, Urteil vom 18.04.2023 - C-1/23 PPU X., Y., A. und B. gegen Belgien - asyl.net: M31499) hat der EuGH nach Vorlage eines belgischen Gerichts im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens entschieden, dass Art. 5 Abs. 1 der FamZ-RL in Verbindung mit Art. 7 sowie Art. 24 Abs. 2 und 3 der GR-Charta dahin auszulegen ist, dass eine nationale Vorschrift, die ausnahmslos das persönliche Erscheinen der Familienangehörigen eines anerkannten Flüchtlings für die Stellung eines Antrags auf Familienzusammenführung selbst dann verlangt, wenn dieses Erscheinen unmöglich oder übermäßig schwierig ist, gegen das Recht auf Achtung der Einheit der Familie verstößt.
Allerdings könnten die Mitgliedstaaten das persönliche Erscheinen der Familienangehörigen in einem späteren Stadium dieses Verfahrens verlangen, um insbesondere die familiären Bindungen und die Identität der Betroffenen zu überprüfen. Wenn das persönliche Erscheinen der Familienangehörigen in einem späteren Verfahrensabschnitt verlangt wird, müsse der Mitgliedstaat ein solches Erscheinen erleichtern, insbesondere durch die Ausstellung konsularischer Dokumente oder freie Grenzübertritte, und die Häufigkeit persönlichen Erscheinens auf das absolut Notwendige reduzieren.
Hinweis! Insbesondere zum Zweck der Fristwahrung kann der Visumsantrag auch formlos gestellt werden. Dazu sollte ein formloser schriftlicher Visumsantrag per Fax (oder eingescannt im Anhang per e-Mail) mit der Bitte um Empfangsbestätigung an die zuständige Auslandsvertretung übermittelt werden. Der Sendebericht sollte zum Nachweis der fristgerechten Antragstellung gut aufbewahrt und zum Vorsprachetermin ausgedruckt mitgebracht werden. Vgl. auch Ausführungen im Unterabschnitt "Verfahren -> Fristen" sowie Visumhandbuch, Abschnitt "Antrag".
Hinweis! Von der Antragsstellung grundsätzlich zu unterscheiden ist die Abholung der Dokumente nach Bescheidung der Visumsanträge. Ein persönliches Erscheinen ist dafür nicht erforderlich und kann auch über eine bevollmächtigte Person getätigt werden.
Die örtliche Zuständigkeit der Auslandsvertretung bestimmt sich grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort bzw. Wohnsitzder antragstellenden Person. Hiervon spricht man, wenn die betreffende Person nicht nur vorrübergehend an diesem Ort verweilt, vgl. Nr. 71.1.2.2. AVwV-AufenthG, sondern eine gewisse Verfestigung des Aufenthaltes besteht. Davon kann ausgegangen werden, wenn sich die Person mindestens 6 Monate nachweislich in einem Land aufgehalten hat (oder bei Beginn ihres Aufenthalts an diesem Ort die voraussichtliche Dauer des Aufenthalts mindestens sechs Monate betragen wird). Auch Personen, die sich illegal in einem Land aufhalten, können somit dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, es sei denn, mit der Beendigung ihres Aufenthalts – ob freiwillig oder zwangsweise – ist in absehbarer Zeit zu rechnen, vgl. Visumshandbuch, Abschnitt "Zuständigkeit deutscher Auslandsvertretungen“.
Ausnahmen können sich unter anderem dort ergeben, wo die Bundesrepublik Deutschland keine Auslandsvertretung unterhält, welche Visa zum Zweck des Familiennachzugs ausstellt. In diesen Fällen ermächtigt das Auswärtige Amt deutsche Auslandsvertretungen in anderen Ländern, diese Aufgaben zu übernehmen. Sollte dies der Fall sein, finden sich auf den Seiten der deutschen Auslandsvertretungen Hinweise, welche Auslandsvertretung ersatzweise handelt.
So können beispielsweise syrische Antragsteller derzeit keine Visumsanträge bei der Deutschen Botschaft in Damaskus stellen. Sie sind vielmehr gehalten, sich an die Deutsche Botschaft in Beirut (Libanon), das Generalkonsulat Istanbul (Türkei), die Deutsche Botschaft in Amman (Jordanien), das Generalkonsulat in Erbil (Nordirak) oder an eine andere der auf der Startseite der Botschaft als ersatzweise zuständig genannten Auslandsvertretungen zu wenden, um dort einen Termin zur Vorsprache zu erhalten.
Ebenso ist die Deutsche Botschaft Kabul geschlossen. Antragstellende aus Afghanistan müssen Anträge zur Erteilung nationaler Visa zum Familiennachzug entweder in Islamabad (Pakistan) oder Teheran (Iran) stellen.
Siehe dazu auch das Verzeichnis aller Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland.
Grundsätzlich kann ein Antrag auf Familiennachzug zu einer in Deutschland aufenthaltsberechtigten Person jederzeit bei einer deutschen Auslandsvertretung gestellt werden. In einigen Fällen ist jedoch die Einhaltung von Fristen zu beachten. Die Fristen können durch unterschiedliche Handlungen gewahrt werden. Wichtig ist dabei insbesondere, zwischen einer fristwahrenden Anzeige und einem fristwahrenden Antrag zu unterscheiden.
Fristwahrende Anzeige
Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 AufenthG (Asylberechtigte), nach § 25 Abs. 2 Alt. 1 AufenthG (Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft) sowie nach § 24 Abs. 4 AufenthG (sogenannte Resettlement-Flüchtlinge) können von der Möglichkeit des sogenannten privilegierten/vereinfachten Familiennachzugs profitieren.
Um von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, verlangt das Aufenthaltsgesetz in § 29 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 AufenthG, dass beim Nachzug von Ehegatten und minderjährigen, unverheirateten Kindern ein entsprechender Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb von drei Monaten gestellt wird.
Da für die Familienmitglieder ein Termin zur persönlichen Visumantragstellung bei der Auslandsvertretung oftmals nicht innerhalb der 3-Monats-Frist verfügbar ist, kann die Wahrung der 3-Monats-Frist auch durch die rechtzeitige Antragstellung des in Deutschland schutzberechtigten Familienmitglieds bei der zuständigen Ausländerbehörde sichergestellt werden, vgl. § 29 Abs. 2 Satz 3 AufenthG. Diese Antragstellung, die durch die schutzberechtigte Person in Deutschland erfolgt, wird auch fristwahrende Anzeige genannt, vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.01.2022, OVG 3 M 22/21. Der Gesetzgeber erkennt hiermit an, dass es den Familienangehörigen einer schutzberechtigten Person aufgrund der Umstände im Aufenthaltsstaat nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist, einen fristgerechten Visumantrag bei der deutschen Auslandsvertretung zu stellen, vgl. Nr. 29.2.2.2. AVwV-AufenthG und BT-Drs.16/5065, S. 172.
Für diese fristwahrende Anzeige ist von der in Deutschland schutzberechtigten Person ein schriftlicher Antrag auf Familiennachzug an die Ausländerbehörde zu richten, welche für die in Deutschland aufenthaltsberechtigte Person zuständig ist. Ein solches Schreiben sollte die Personalien der in Deutschland aufenthaltsberechtigten Person, das Datum und Geschäftszeichen der Zuerkennung des Schutzstatus bzw. der Ausstellung der entsprechenden Aufenthaltserlaubnis (im Fall von Resettlement-Flüchtlingen), sowie die Personalien des nachzugswilligen Familienmitglieds und dessen verwandtschaftliche Beziehung zur in Deutschland lebenden Referenzperson beinhalten. Entsprechende Nachweise wie z.B. eine Passkopie der den Nachzug begehrenden Person, BAMF-Bescheid, Heirats- oder Geburtsurkunden können beigelegt werden, sind aber nicht zwingend erforderlich. Hierzu Musterschreiben.
Daneben besteht die Möglichkeit für Personen aus allen Herkunftsländern eine fristwahrende Anzeige über das Webportal des Auswärtigen Amtes zu tätigen: https://fap.diplo.de/webportal/desktop/index.html#start.
Dabei ist jedoch dringend zu beachten, dass das dort innerhalb der Frist generierte PDF nicht beim Auswärtigen Amt oder der Ausländerbehörde elektronisch gespeichert wird, sondern später beim Vorsprachetermin der Familkienangehörigen bei der deutschen Auslandsvertretung vorgelegt werden muss. Es ist daher ratsam, dass ausgedruckte PDF zusätzlich per Fax an die zuständige Ausländerbehörde zu übermitteln, um den privilegierten Familiennachzug auch bei Verlust oder Unleserlichkeit des PDF-Dokuments sicherzustellen.
Weiter gilt es zu beachten, dass die 3-Monats-Frist für die "Fristwahrende Anzeige" als Voraussetzung für die Privilegierung des Familiennachzugs gemäß § 29 Abs. 2 AufenthG nur für den Fall gilt, dass der Nachzug zum Ehegatten oder von minderjährigen, ledigen Kindern zu ihren Eltern begehrt wird, gilt. Keine Anwendung findet das Fristerfordernis auf den Nachzug zu subsidiär schutzberechtigten Personen - d.h., bei ihnen wird stets von den Erteilungsvoraussetzungen ausreichender Wohnraum und Lebensunterhaltsicherung abgesehen, sofern die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft in einem Drittstaat, zu dem die subsidiär schutzberechtigte Person oder deren Familienangehörigen eine besondere Bindung haben, nicht möglich ist (§ 36a Abs. 5 i.V.m. § 29 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 AufenthG), unabhängig davon, ob innerhalb von drei Monaten nach der Schutzzuerkennung ein Antrag gestellt wurde oder nicht. Beim Nachzug von Eltern zu einer in Deutschland als Flüchtling anerkannten minderjährigen Person kommt es ebenfalls nicht auf ausreichenden Wohnraum und Lebensunterhaltsicherung an (§ 36 Abs. 1 AufenthG: "...abweichend von § 5 Absatz 1 Nummer 1 und § 29 Absatz 1 Nummer 2..."); allerdings ist hier zu beachten, dass aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs spätestens seit 2022 ebenfalls eine 3-Monats-Frist ab Flüchtlingsanerkennung existiert, um den Nachzugsanspruch nötigenfalls auch über die Volljährigkeit der Referenzperson hinaus zu sichern. Diese Frist kann nicht durch eine "Fristwahrende Anzeige" gewahrt werden, sondern nur durch einen schriftlichen Visumsantrag bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung (siehe unten sowie "Nachzug der Eltern zu unbegleiteten Minderjährigen"). Im Falle sonstiger Familienangehöriger (§ 36 Abs. 2 AufenthG) oder beim Familiennachzug zu Personen mit einem Abschiebungsverbot oder mit einer sonstigen Aufenthaltserlaubnis gibt es (ebenfalls) keine 3-Monats-Frist, hier werden regelmäßig Lebensunterhaltsicherung und ausreichender Wohnraum verlangt.
Fristwahrender Antrag
In manchen Fällen ist eine fristwahrende Anzeige durch die schutzberechtigte Person nicht ausreichend, um die Frist für die Familienzusammenführung zu wahren.
Drei Fallkategorien sind dabei besonders zu beachten:
Beim Kindernachzug besteht der Anspruch nach Maßgabe des § 32 Abs. 1 AufenthG nur, solange das den Nachzug begehrende, unverheiratete Kind minderjährig ist. Abhängig von der Aufenthaltserlaubnis des Elternteils in Deutschland, besteht zudem eine Altersgrenze von 16 Jahren, bei deren Überschreiten weitere (hohe) Anforderungen an den Kindernachzug gestellt werden, vgl. § 32 Abs. 2 AufenthG. Zur Bestimmung, ob das Kind minderjährig (oder unter 16 Jahre alt) ist, stellt die Rechtspraxis auf den Zeitpunkt der Visumantragstellung ab. Sollte das Kind nicht rechtzeitig einen Termin zur persönlichen Vorsprache zur Stellung des Visumantrags bei der deutschen Auslandsvertretung erhalten, ist daher dringend vorab ein formloser schriftlicher Visumantrag für das Kind bei der Auslandsvertretung zu stellen, vgl. Unterabschnitt "Nachzug des minderjährigen unverheirateten Kindes" sowie Visumhandbuch, Abschnitt "Kindernachzug". Der Antrag ist - unterzeichnet von den sorgeberechtigten Eltern - per Fax und/oder eingescannt per E-Mail an die zuständige Auslandsvertretung zur übermitteln, vgl. Visumhandbuch, Abschnitt "Antrag". Der Sendebericht sollte zum Nachweis der fristgerechten Antragstellung gut aufbewahrt werden.
Beim Kindernachzug zu Personen mit Flüchtlingsanerkennung hat der EuGH mit Urteil vom 01.08.2022 (Urteil vom 01.08.2022 - C-279/20 Deutschland gg. XC - asyl.net: M30815, sowie asyl.net: Meldung vom 01.08.2022) entschieden, dass Art. 4 Abs. 1 Bst. c FamZ-RL dahingehend auszulegen sei, dass ein Kind des zusammenführenden Elternteils, der als Flüchtling anerkannt worden ist, auch dann als minderjährig im Sinne der Vorschrift zu behandeln sei, wenn es zum Zeitpunkt der Asylantragstellung des zusammenführenden Elternteils minderjährig war, aber vor dessen Anerkennung als Flüchtling und Stellung des Nachzugsantrags volljährig geworden ist. In einem solchen Fall kann die Familienzusammenführung des Kindes mit dem in Deutschland lebenden Elternteil jedoch nur dann Erfolg haben, wenn der Nachzugsantrag des Kindes innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Anerkennung des zusammenführenden Elternteils als Flüchtling bei der zuständigen Auslandsvertretung gestellt wird. Der bisherigen Rechtsprechung folgend ist davon auszugehen, dass eine fristwahrende Anzeige über das Online-Portal des Auswärtigen Amtes zur Wahrung der 3-Monats-Frist nicht genügen wird, vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2022 - 3 M 185/20 - asyl.net: M30369. Zum diesem Zweck sollte auch hier ein formloser schriftlicher Visumsantrag per Fax (und/oder eingescannt per E-Mail) an die zuständige Auslandsvertretung übermittelt werden.
Vertiefende Hinweise zum Vorgehen in der Beratung, vgl. Unterabschnitt "Nachzug des minderjährigen unverheirateten Kindes" sowie die Fachinformationen des DRK-Suchdienstes zum Familiennachzug von und zu Flüchtlingen vom 05. September 2022.
Der Elternnachzug nach § 36 Abs. 1 AufenthG ist grundsätzlich nur solange möglich, wie das aufenthaltsberechtigte Kind in Deutschland noch minderjährig ist. Mit den Urteilen des EuGH vom 12.04.2018 (Urteil vom 12.04.2018, C-550/16, A und S gegen die Niederlande, asylnet: M26143, sowie asylnet: Meldung vom 16.04.2018) sowie 01.08.2022 (EuGH, Urteil vom 01.08.2022 - C-273/20, C-355/20 Deutschland gg. SW, BL und BC - asyl.net: M30811, sowie asyl.net: Meldung vom 01.08.2022) entschied das Gericht für den Elternnachzug zu unbegleiteten geflüchteten Personen, dass eine Person, die zum Zeitpunkt ihrer Einreise und Asylantragstellung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union unter 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens die Volljährigkeit erreicht und später als Flüchtling anerkannt wird, als minderjährig im Sinne der Definition von Art. 2 Bst. f FamZ-RL anzusehen ist und daher das Recht auf Familiennachzug nach Art. 10 Abs. 3 Bst. a FamZ-RL fortbesteht, soweit der Familiennachzug innerhalb von 3 Monaten nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beantragt wird. Daher ist auch beim Elternnachzug zu ursprünglich als unbegleitete Minderjährige eingereisten anerkannten Geflüchten, die inzwischen volljährig sind, der Elternnachzug weiterhin möglich. Es ist jedoch auch hier der Nachzugsantrag der Eltern innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Anerkennung des zusammenführenden Kindes als Flüchtling bei der zuständigen Auslandsvertretung zu stellen. Zum diesem Zweck sollte auch hier ein formloser schriftlicher Visumsantrag per Fax (und/oder eingescannt per E-Mail) an die zuständige Auslandsvertretung übermittelt werden.
Vertiefende Hinweise zum Vorgehen in der Beratung, vgl. Unterabschnitt "Nachzug der Eltern zu unbegleiteten Minderjährigen" sowie die Fachinformationen des DRK-Suchdienstes zum Familiennachzug von und zu Flüchtlingen vom 05. September 2022.
In allen Fällen ist es empfehlenswert, die Behörde um eine Bestätigung des (fristwahrenden) Eingangs des Antrags zu bitten, um sicherzugehen, dass der Antrag dort auch angekommen und registriert worden ist.
Welche Dokumente im konkreten Einzelfall von der antragstellenden Person verlangt werden, variiert und sollte immer aktuell auf der Webseite der jeweiligen Visastelle der Auslandsvertretung abgerufen werden. Dort finden sich oftmals mehrsprachige Merkblätter, welchen die Auflistung der notwendigen Dokumente zu entnehmen ist.
Im Regelfall handelt es sich hierbei um:
Geflüchteten Personen ist es in manchen Fällen unmöglich oder unzumutbar die erforderlichen Personenstandsdokumente (Geburts-oder Heiratsurkunden) beizubringen. In entsprechender Auslegung des Art. 25 GFK sollten die deutschen Auslandsvertretungen bei der Entscheidung über den Familiennachzug zu in Deutschland anerkannten Flüchtlingen die besondere Fluchtlage berücksichtigen und diese Personen durch die Ausstellung von Urkunden und Bescheinigungen, die normalerweise der Heimatstaat ausstellen müsste, unterstützen. Zudem verdeutlicht Art. 11 Abs. 2 FamZ-RL die Pflicht der Behörden, andere Nachweise für das Bestehen einer familiären Bindung zu prüfen, soweit amtliche Unterlagen nicht beigebracht werden können. Dem folgend darf eine Ablehnung des Antrags nicht ausschließlich mit dem Fehlen von Belegen begründet werden (vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat und das europäische Parlament - Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2003/86/EG des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung vom 03.04.2014, COM(2014) 210 final, S.26f. mit beispielhafter Aufzählung möglicher „anderer Nachweise“). Darüber hinaus gebietet auch die Achtung des Familienlebens (Art. 8 EMRK), die besondere Fluchtsituation im Einzelfall anzuerkennen und mit der Forderung von Beweisen als Beleg der familiären Bindung flexibel umzugehen, vgl. EGMR, Urteil vom 10.07.2014, 2260/10, Tanda-Muzinga v. Frankreich Rn. 76.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass eine abschließende Regelung, welche Belege für den Nachweis der familiären Bindung durch die deutschen Auslandsvertretungen herangezogen werden können, fehlt. Eine Entscheidung hierüber liegt im pflichtgemäßen Ermessen der beteiligten Behörden, wobei der Nachweis im Rahmen einer qualifizierten Glaubhaftmachung grundsätzlich zugelassen wird (vgl. VG Berlin, Urteil vom 13.10.2020 - 12 K 521.19 V - asyl.net: M29565; BMI, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 12.04.2021 - M3-21002/1#65 - asyl.net: M29560, S. 3; BT-Drucks. 19/19355, S.9; BT-Drucks. 19/29014, S.9)
In der Praxis haben sich hierfür verschiedene Verfahren etabliert:
Hinsichtlich der Beibringung eines DNA-Gutachtens gilt, dass diese Möglichkeit grundsätzlich als „letztes Mittel“ angewandt werden sollte (vgl. Mitteilung der Kommission vom 03.04.2014 zur Anwendung der FamZ-RL, S. 27, a.a.O.; insb. zu den rechtlichen Schwierigkeiten eines solchen Erfordernis siehe: „UNHCR Note on DNA Testing to Establish Family Relationsships in the Refugee Context“). Dennoch wird es gerade in Herkunftsländern mit unzuverlässigem Urkundenwesen häufig zum Beleg des Verwandtschaftsverhältnis gefordert (vgl. BT-Drucks. 19/23586, S. 9 f.). Zum Ablauf eines solchen DNA-Gutachtens: vgl. Abschnitt "Abstammungsgutachten" im Visumhandbuch. Beispielhaft vgl. auch das Merkblatt DNA-Analyse der deutschen Botschaft Nairobi.
Beachtet werden sollten zudem die Hinweise zur Legalisation (Bestätigung der Echtheit einer Urkunde) und Übersetzung der einzureichenden Unterlagen. Allgemeine Informationen hierzu finden sich unter https://www.auswaertiges-amt.de/de/-/606802 und im Speziellen auf der jeweiligen Webseite der Visastelle der zuständigen Auslandsvertretung.
Die erforderlichen Unterlagen müssen beim Termin zur persönlichen Vorsprache grundsätzlich vollständig an die Auslandsvertretung übergeben werden.
Eine Übersendung der Unterlagen vor der persönlichen Antragstellung wird von den Auslandsvertretungen nicht erwünscht. Dies erscheint zumindest vor dem Hintergrund nachvollziehbar, als dass erst mit der persönlichen Vorsprache und der Entrichtung der Visabearbeitungsgebühr bei Vorsprache der Nachzugsantrag als Vorgang bei der Auslandsvertretung angelegt wird und mit einer entsprechenden Bearbeitungsnummer versehen wird. Erst dann können Dokumente, welche außerhalb der persönlichen Antragstellung eingereicht werden, der spezifischen Person sicher zugeordnet werden. Eine Vorab-Zusendung führt daher nicht zu einer beschleunigten Bearbeitung des Antrages.
Für die Realisierung des Familiennachzugs müssen verschiedene Kosten eingeplant werden. Zunächst können bei der Terminvergabe, die ggf. über externe Dienstleister erfolgt, Kosten entstehen. Darüber hinaus ist bei der Antragstellung in der zuständigen Auslandsvertretung eine Visumsgebühr zu entrichten.
Rechtsgrundlage für die Erhebung der Visumsgebühr ist § 46 Abs. 2 Nr. 1 AufenthV. Für erwachsene Antragsteller fallen damit Kosten in Höhe von 75 € an. Für minderjährige Personen gilt gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 AufenthV die Hälfte dieses Betrages. Zu etwaigen Ausnahmen siehe Merkblatt des Auswärtigen Amtes "Visagebühren" (Stand: 02.02.2020).
Zusätzlich müssen Kosten der Legalisation und Übersetzung von Urkunden eingerechnet werden, welche im Einzelnen variieren können und deswegen nicht weiter spezifiziert werden können.
Leitet die Auslandsvertretung im Einzelfall eine Urkundenüberprüfung ein oder fordert zum Nachweis des Verwandtschaftsverhältnisses die Beibringung eines DNA-Gutachtens (vgl. Notwendige Dokumente), können auch hierdurch weitere Kosten entstehen, die von den Antragstellern zu tragen sind.
Gleiches gilt für Kosten einer etwaigen längeren Anreise zur zuständigen Auslandsvertretung und schließlich für die Kosten der Einreise nach Deutschland. Zu finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten bei der Einreise, vgl. Unterstützungsmöglichkeiten.
Grundsätzlich bedarf ein Visum der Zustimmung der innerdeutschen Ausländerbehörde am beabsichtigten Aufenthaltsort, vgl. § 31 Abs. 1 AufenthV. Dies gilt auch im Bereich des Familiennachzugs.
Eine Ausnahme gilt beim Nachzug der Kernfamilie zu anerkannten syrischen Flüchtlingen im Falle des § 29 Abs. 2 AufenthG, da die Bundesländer auf Bitte des Auswärtigen Amtes und des Bundesinnenministeriums hier "Globalzustimmungen" erteilt haben, vgl. AA/BMI, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 04.05.2015 - MI3-21002/16#7.
Konkret übermittelt die Auslandsvertretung die ihr vorliegenden Angaben zur antragstellenden Person, sowie ihrer in Deutschland lebenden Bezugsperson an die Ausländerbehörde am beabsichtigten Wohnort (Wohnort des in Deutschland bereits aufenthaltsberechtigten Familienmitglieds) und bittet unter Nennung des beantragten Aufenthaltszwecks um Stellungnahme.
Die Ausländerbehörde prüft sodann, ob aus ihrer Sicht die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Hierzu kann sie gegebenenfalls Unterlagen nachfordern oder die in Deutschland bereits aufenthaltsberechtigte Person zur persönlichen Vorsprache einladen, um offene Fragen zu klären.
Geht die Stellungnahme der Ausländerbehörde anschließend bei der Auslandsvertretung ein, prüft diese abermals, ob die Entscheidung Bestand haben kann. Stellt sich heraus, dass die Ausländerbehörde z.B. das ihr eingeräumte Ermessen nicht erkannt und ausgeübt hat, wird die Auslandsvertretung darauf hinweisen und erneut um Stellungnahme bitten, was mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen verbunden sein kann.
Die Zustimmung der Ausländerbehörde ist ein verwaltungsinternes Beteiligungsverfahren. Die abschließende Entscheidung über den Visumantrag soll im Einklang mit der Ausländerbehörde getroffen werden. Die abschließende Entscheidung über den Visumsantrag (Erteilung oder Versagung) teilt allein die Auslandsvertretung der antragstellenden Person in Form eines Bescheids mit, vgl. § 71 Abs. 2 AufenthG.
Mit Schreiben des BMI an die Länder vom 28.04.2023 (Bundesministerium des Innern, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 28.04.2023 - MI3.21002/1#95) empfahl das BMI den Ausländerbehörden zum Zweck der Beschleunigung der Visumerteilung zur Familienzusammenführung weitere Globalzustimmungen gemäß § 32 AufenthV für solche Fälle zu erlassen, in denen die Visaanträge bei Auslandsvertretungen in Staaten mit nach Auffassung des Auswärtigen Amtes verlässlichen Urkundenwesen (vgl. Auswärtiges Amt, "Liste der Staaten, in denen die Voraussetzungen für die Legalisation nicht gegeben sind") gestellt werden und in denen Lebensunterhalt und Wohnraum für die Visumerteilung nicht zu prüfen sind.
Nach der Einreise nach Deutschland mit einem Visum zum Familiennachzug ist für das nachgezogene Familienmitglied bei der örtlich zuständigen Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen (§§ 27-36a AufenthG) zu beantragen.
Soweit der Familiennachzug zu einem international schutzberechtigten Familienmitglied erfolgte, stellt sich in der Beratungspraxis oftmals die Frage, ob im jeweiligen Einzelfall auch ein sog. Antrag auf "Familienasyl und internationalen Schutz für Familienangehörige" gem. § 26 AsylG beim BAMF für das nachgezogene Familienmitglied gestellt werden sollte.
Denn gemäß § 26 AsylG kann
einer in Deutschland schutzberechtigten Person (sog. stammberechtigte Person) Familienasyl gewährt werden. Das heißt, dass dem Familienmitglied der gleiche Schutzstatus zugesprochen wird wie der stammberechtigten Person, ohne dass eine eigene Prüfung der Asylgründe des Familienmitglieds erfolgt.
Der Antrag auf Familienasyl muss gem. § 26 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Abs. 3 Nr. 3 AsylG "unverzüglich", das heißt ohne schuldhaftes Zögern, gestellt werden. Im Rahmen der Einreise nach Deutschland mit einem Visum zum Familiennachzug muss der Antrag auf Familiennasyl innerhalb von drei Monaten nach der Einreise gestellt werden (vgl. Dienstanweisungen des BAMF vom 01.01.2023, Abschnitt "Familienschutz", S. 220f.).
Für eine solche Antragstellung spricht zwar, dass der hierdurch zu erlangende Schutzstatus ggf. eine bessere Rechtsstellung vermittelt als die Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen (§§ 27-36a AufenthG) und ggf. den vereinfachten Nachzug weiterer Familienangehöriger ermöglicht. Dennoch sind zur Klärung der Frage, ob ein solcher Antrag tatsächlich vorteilhaft ist, eine Reihe asyl- und aufenthaltsrechtlicher Voraussetzungen zu beachten und in jedem konkreten Einzelfall abzuwägen.
Zur Klärung der Vor- und Nachteile des Familienasyls hat der paritätische Gesamtverband in Kooperation mit Kirsten Eichler von der GGUA die Arbeitshilfe "Familienasyl und internationaler Schutz für Familienangehörige im Kontext des Familiennachzugs" (Stand: April 2018) veröffentlicht. Hierin wird erläutert, wer zum begünstigten Personenkreis gehört und welche Folgen eine Antragstellung nach sich zieht. Darüber hinaus gibt die Arbeitshilfe weiterführende Hinweise: so etwa für den Fall, dass bei dem nachziehenden Familienmitglied Fluchtgründe vorliegen und empfiehlt, dass diese dem BAMF trotz der Beantragung von Familienasyl mitgeteilt werden sollten, damit sie bei einem möglichen Widerrufsverfahren zu berücksichtigen sind.
Weitere Informationen zum Thema unter:
Die Seite familie.asyl.net wird gefördert von UNHCR