Die Visastelle der Deutschen Botschaft in Kabul ist seit eines Bombenanschlags im Jahr 2017 für den Besucherverkehr geschlossen. Gleiches gilt hinsichtlich des Generalkonsulats von Masar-e-Sharif. Damit ist die Beantragung eines Visums zum Zweck des Familiennachzugs innerhalb Afghanistans gegenwärtig nicht möglich.
Nach Schließung der Visastellen der deutschen Auslandsvertretungen in Kabul und Masar-e-Sharif wurde die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Visaanträgen zur Familienzusammenführung von Antragstellenden mit gewöhnlichem Aufenthalt in Afghanistan an die Auslandsvertretungen in Islamabad, Pakistan, und Teheran, Iran (vormals zuständig: Neu Delhi, Indien) übertragen. Vertiefend hierzu: Fragen und Antworten: Unterstützung bei der Ausreise aus Afghanistan - Auswärtiges Amt (auswaertiges-amt.de) oder Übersicht des DRK-Suchdienstes zur örtlichen Zuständigkeit deutscher Auslandsvertretungen für den vorbezeichneten Personenkreis.
Familienangehörige, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Afghanistan haben, und die ein Visum zum Zweck des Familiennachzugs zu einer in Deutschland lebenden aufenthaltsberechtigten Person begehren, müssen sich zunächst in die Warteliste für Visaanträge zur Familienzusammenführung auf der Webseite der Deutschen Botschaft in Kabul eintragen (Ausnahme: Nachzug zu subsidiär schutzberechtigten Personen, s. unten).
Im Rahmen dieser Eintragung muss angegeben werden, an welcher Auslandsvertretung (Islamabad oder Teheran) ein Antrag gestellt werden soll und darauf hingewiesen, dass eine nachträgliche Änderung dieser Angabe nicht möglich sei. Pro Familie genügt es, einen Termin zu buchen. Wichtig ist jedoch die Anzahl, alle Namen und Passnummern der entsprechenden Familienmitglieder anzugeben, die den Nachzug nach Deutschland begehren. Nur so kann sichergestellt werden, dass allen Personen der Zutritt zur Vorsprache in der Auslandvertretung gestattet wird.
Familienangehörige, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb von Afghanistan haben, können die Terminbuchung direkt über die deutsche Auslandsvertretung des jeweiligen Landes vornehmen. Die Voraussetzung des "gewöhnlichen Aufenthalts" muss von den Antragsstellenden nachgewiesen werden (zur Definition des gewöhnlichen Aufenthaltes s. auch Verfahren -> Antragstellung; Visumshandbuch, Abschnitt "Zuständigkeit deutscher Auslandsvertretungen, S. 677ff.; Informationen auf der Website der deutschen Botschaft Teheran zur Terminvereinbarung zur Visumbeantragung zwecks Familienzusammenführung für afghanische Staatsangehörige)
Hinweis! Familienangehörige, die den Nachzug zu subsidiär schutzberechtigten Personen begehren, müssen sich auf der Warteliste Nachzug zum subsidiär Schutzberechtigten registrieren. Hierbei muss jede antragstellende Person gesondert registriert werden. Familien können u.a. anhand der gemeinsamen Referenzperson in Deutschland identifiziert werden und erhalten dann zur gleichen Zeit ihren Termin.
Zur Notwendigkeit der persönlichen Vorsprache und der Zumutbarkeit langer Wartezeiten auf einen Vorsprachetermin bei einer Auslandsvertretung vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.12.2021 - 6 S 32/21 - asyl.net: M30861, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.12.2021 - 6 S 47/21 - asyl.net: M30505, VG Berlin, Beschluss vom 11.01.2022 - 21 L 640/21 V - asyl.net: M30398, VG Berlin, Beschluss vom 28.01.2022 - 37 L 4/22 V - asyl.net: M30396, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.02.2022 - 6 S 56/21 - asyl.net: M30860 und Fachinformation des DRK-Suchdienstes vom 08.04.2022, S.3/4.
Zur Übersicht der seit 2018 bis Juni 2023 erteilten Visa zum Familiennachzug für afghanische Antragsstellende sowie Zahlen zu den im Juni 2023 noch ausstehenden Registrierungen auf den Wartelisten für einen Termin zur Antragsstellung, s. Antwort des Auswärtigen Amtes vom 06.07.2023 auf eine IFG-Anfrage zum Familiennachzug aus Afghanistan, zur vollständigen IFG-Anfrage s. FragDenStaat, Anfrage #279442.
Wurde ein Visum zur Familienzusammenführung bereits bei einer deutschen Auslandsvertretung beantragt und scheitert die Abholung an einer Ausreisemöglichkeit aus Afghanistan, können andere Auslandsvertretungen in der Region bei der Visumerteilung unterstützen, soweit Betroffenen die Ausreise aus Afghanistan bzw. Einreise in einen Anrainerstaat gelingen sollte. Nach Vorlage des Reisepasses und der Bestätigung, dass das Visum zur Abholung bereit liegt, besteht dann die Möglichkeit, dass die deutsche Auslandsvertretung des jeweiligen Aufenthaltsortes den Pass entsprechend visiert. Vgl. hierzu Hinweis des Auswärtigen Amtes unter der Rubrik „Fragen und Antworten: Unterstützung bei der Ausreise aus Afghanistan“ bzw. BT-Drs. 19/32677 vom 14.10.2021, S.8).
Grundsätzlich erfolgt die Vergabe von Vorspracheterminen zur persönlichen Antragstellung bei den deutschen Auslandsvertretungen entsprechend des Eingangsdatums ihrer Registrierung.
Eine abweichende Priorisierung kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht:
Soll der Nachzug zum unbegleiteten minderjährigen Ausländer erfolgen, der in weniger als 12 Monaten volljährig wird oder Betroffenen weniger als neun Monate vor Eintritt der Volljährigkeit noch kein Vorsprachetermin zugewiesen sein, sollte - nach der Terminregistrierung - die Botschaft Teheran unter sondertermin(at)tehe.auswaertiges-amt.de oder visainfo(at)tehe.auswaertiges-amt.de bzw. die Botschaft Islamabad unter visainfoafg(at)isla.diplo.de zur Vereinbarung eines Sondertermins kontaktiert werden. Hierbei sind unbedingt die Terminregistrierungsnummer und der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beizufügen.
Als Hinweis zur Bestimmung dieses Personenkreises können die FAQ Afghanistan des Auswärtigen Amtes dienen, welche im Zuge der Evakuierungsmaßnahmen nach Machtübernahme der Taliban veröffentlicht wurden.
Für weitergehende Erkenntnisse weist die Fachinformation des DRK-Suchdienstes vom 08.04.2022 zudem auf die Einsichtnahme von Berichten verschiedener Menschenrechtsorganisationen hin (vgl. hierzu Afghanistan - ecoi.net) und stellt hilfreiche Kernpunkte für die Darlegung einer besonderen Gefährdungslage, sowie ein entsprechendes Vorgehen bei der Beantragung eines Sondertermins zusammen (S.6/7). Hinweis! Die Beantragung eines Sondertermins aufgrund einer besonderen Gefährdungslage bleibt in der Beratungspraxis leider oft erfolglos.
Insgesamt gilt hierbei zu beachten, dass ein Hinweis auf die allgemeine Gefährdungslage in Afghanistan nicht zur Vergabe eines vorzeitigen Vorsprachetermins genügt. Vielmehr bedarf es nach Ansicht der Rechtsprechung einer von der allgemeinen Situation der afghanischen Bevölkerung abweichenden, besonderen Notlage der antragstellenden Person. So seien konkrete Anhaltspunkte zu verlangen, soweit sich die den Nachzug begehrende Person beispielsweise auf eine drohende Verfolgung durch die Taliban aufgrund der Aktivitäten der den Nachzug vermittelnden Person (mit Flüchtlingsstatus in Deutschland) beruft. Dies gelte umso mehr, desto länger diese entsprechenden Aktivitäten zurücklägen, vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.12.2021 – OVG 6 S 32/21 (hier ablehnend).
Das Servicezentrum der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Kabul ist seit Mitte August 2021 geschlossen. Dennoch führt IOM das Familienunterstützungsprogramm (FAP) aus Büros an anderen Standorten fort und unterstützt Personen, die den Familiennachzug begehren, weiter bei der Vorbereitung ihrer Anträge (BT Drs. 19/32677 vom 14.10.2021, S.8).
Das Familienunterstützungsprogramm Afghanistan unterstützt weiterhin per E-Mail und telefonisch sowie über die Servicezentren in Pakistan und Iran.
Afghanistan: info.fap.af@iom.int und +93 701104000
Pakistan: info.fap.pk@iom.int
Iran: info.fap.ir@iom.int
Vgl. auch Abschnitt Unterstützungsmöglichkeiten -> Unterstützung durch die Internationale Organisation für Migration (IOM)
Im Oktober 2022 hat das BMI gem. § 23 Abs. 2, Abs. 3 in Verbindung mit § 24 AufenthG die Anordnung zur Aufnahme von besonders gefährdeten afghanischen Staatsangehörigen aus Afghanistan erlassen. Das sogenannte Bundesaufnahmeprogramm ermöglicht die Aufnahme 1.000 besonders gefährdeten Personen aus Afghanistan monatlich (s. Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan).
Die Aufnahme aus Afghanistan umfasst die besonders gefährdete Person sowie in der Regel ihre Kernfamilienmitglieder (s. FAQ - Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan, "Sind von der Aufnahme auch Familienangehörige umfasst?" vom 17.10.2022). Zu der Frage, ob das Bundesaufnahmeprogramm auch zur Familienzusammenführung zu sich bereits in Deutschland aufhaltenden Familienmitgliedern genutzt werden kann, wird auf die allgemeinen Regelungen des Familiennachzugs verwiesen (FAQ - Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan, "Kann das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan zur Familienzusammenführung genutzt werden?" vom 17.10.2022).
Die Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramms gestaltet sich im Übrigen äußerst langsam. Knapp ein Jahr nach Anordnungserlass ist noch keine Person über das Aufnahmeprogramm aus Afghanistan nach Deutschland eingereist (vgl. BT-Drucksache 20/8322 vom 13.09.2023). Update: Stand 26.04.2024 sind 399 Personen im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms nach Deutschland eingereist (vgl. BT-Drucksache 20/11282 vom 06.05.2024).
Mehrere Bundesländer haben gem. § 23 Abs. 1 AufenthG Landesaufnahmeanordnungen erlassen, die neben dem regulären Familiennachzug den Nachzug von Verwandten aus Afghanistan in das jeweilige Bundesland ermöglichen.
Thüringen:
Personen mit Wohnsitz in Thüringen können unter bestimmten Voraussetzungen ihre Verwandten aus Afghanistan oder einem Anrainerstaat Afghanistans nachholen, sofern u. a. zur Sicherung des Lebensunterhalts eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben wird. Nachzugsberechtigt nach der Aufnahmeanordnung sind Ehepartner*innen, Verwandte ersten Grades (Eltern, Kinder), Verwandte zweiten Grades (Großeltern, Enkel oder Geschwister) sowie deren Ehepartner*innen und minderjährigen Kinder.
Für weitere Informationen s. die Landesaufnahmeanordnung Thüringen, das Merkblatt zur Aufnahme afghanischer Flüchtlinge durch ihre in Thüringen lebenden Verwandten vom 04.11.2022, das Begleitschreiben des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz vom 04.11.2022 sowie die Internetseite der Thüringer Beauftragten für Integration, Migration und Flüchtlinge.
Berlin:
Mit der Berliner Landesaufnahmeanordnung vom 12.01.2023 wurde in Berlin die bereits seit mehreren Jahren bestehende Aufnahmeregelung für geflüchtete Verwandte aus Syrien und Irak um geflüchtete Verwandte aus Afghanistan erweitert. Demnach können Personen mit Wohnsitz in Berlin unter bestimmten Voraussetzungen ihre Verwandten aus Afghanistan oder einem Anrainerstaat Afghanistans nachholen, sofern u. a. auch hier zur Sicherung des Lebensunterhalts eine Verpflichtungserklärung gem. § 68 AufenthG abgegeben wird. Nachzugsberechtigt nach der Aufnahmeanordnung sind Ehepartner*innen, Verwandte ersten Grades (Eltern, Kinder) sowie Verwandte zweiten Grades (Großeltern, Enkel oder Geschwister).
Für weitere Informationen, s. die Internetseite des Berliner Landesamts für Einwanderung.
Hessen:
Anträge konnten bis zum 31.12.2023 gestellt werden.
Das Land Hessen ermöglicht mit der Landesaufnahmeanordnung vom 01.06.2023 die Aufnahme von insgesamt maximal 1.000 afghanischen Familienangehörigen aus Afghanistan oder Anrainerstaaten Afghanistans.
Personen mit Wohnsitz in Hessen können demnach unter bestimmten Voraussetzungen ihre Verwandten aus Afghanistan oder einem Anrainerstaat Afghanistans nachholen, sofern u. a. für die Sicherung des Lebensunterhalts eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben wird. Nachzugsberechtigt nach der Aufnahmeanordnung sind Ehepartner*innen, Verwandte ersten Grades (Eltern, Kinder), Verwandte zweiten Grades (Großeltern, Enkel oder Geschwister) und deren Ehepartner*innen und minderjährigen Kinder sowie weitere Personensorgeberechtigte begünstigter minderjähriger Kinder.
Für weitere Informationen, s. Landesaufnahmeanordnung Hessen, FAQs des Regierungspräsidiums Gießen zum Landesaufnahmeprogramm sowie die Internetseite des Regierungspräsidiums Gießen.
Bremen:
Anträge konnten bis zum 31.01.2024 gestellt werden.
Bremen ermöglicht mit der Landesaufnahmeanordnung vom 31.07.2023 Personen mit Wohnsitz in Bremen unter bestimmten Voraussetzungen ihre Verwandten aus Afghanistan oder einem Anrainerstaat Afghanistans nachzuholen, sofern u.a. zur Sicherung des Lebensunterhalts eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben wird. Nachzugsberechtigt nach der Aufnahmeanordnung sind Ehepartner*innen, Verwandte ersten Grades (Eltern, Kinder), Verwandte zweiten Grades (Großeltern, Enkel oder Geschwister) und deren Ehepartner*innen und minderjährigen Kinder sowie weitere Personensorgeberechtigte begünstigter minderjähriger Kinder.
Für weitere Informationen, s. Landesaufnahmeanordnung Bremen sowie die Internetseite des Serviceportals der Freien Hansestadt Bremen.
Vgl. auch die Fortbildungsunterlagen der Fortbildung vom 25.05.2023 "Familiennachzug aus Afghanistan – Informationen aus der Praxis für die Praxis" mit Nicolas Chevreux (AWO Kreisverband Berlin-Mitte). Weitere Informationen und Fortbildungsunterlagen der Online-Fortbildungsreihe zu aktuellen Fragen des Familiennachzugs, s. hier.
Weitere Informationen für Schutzsuchende aus Afghanistan s. auch die Informationssammlung des Informationsverbunds Asyl und Migration hier.
Die Seite familie.asyl.net wird gefördert von UNHCR