Ehegattennachzug (§ 30 AufenthG)

Der Nachzug von Ehepartner*innen zu Drittstaatsangehörigen richtet sich nach den §§ 27, 29, 30 AufenthG.

Die in Deutschland lebende Person muss über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen, vgl. §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 und 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG.

Ein Nachzugsanspruch setzt zudem voraus, dass die Ehe am Ort der Eheschließung rechtswirksam geschlossen worden ist und die freie Absicht besteht, diese eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet herzustellen und zu wahren, vgl. § 27 Abs. 1 AufenthG.

Personen in einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft, worunter das AufenthG Gemeinschaften versteht, die von zwei gleichgeschlechtlichen Partnern oder Partnerinnen im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) eingegangen werden, sind Eheleuten gemäß § 27 Abs. 2 AufenthG hinsichtlich ihres Nachzugsanspruchs gleichgestellt. Soweit die Lebenspartnerschaft nach ausländischem Recht geschlossen wurde, muss auch hier der Nachweis erbracht werden, dass sie staatlich anerkannt wurde und muss sie in ihrer Ausgestaltung der deutschen Lebenspartnerschaft entsprechen, vgl. Nr. 27.2.1. AVwV-AufenthG.

Eine religiös geschlossene Ehe muss nach dem Recht des Heimatlandes staatlich anerkannt worden sein, um einen Nachzugsanspruch zu begründen. Für die Praxis bedeutet dies, dass im Rahmen des Visumverfahrens nicht nur die Vorlage des Nachweises der religiösen Eheschließung genügt, sondern im Regelfall der Nachweis über die staatliche Anerkennung der Ehe erbracht werden muss.

Ein Visum zum Ehegattennachzug kann abgelehnt werden, wenn die Ehe nachweislich nur zu dem Zweck eingegangen wurde, um der nachziehenden Person ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu vermitteln (sogenannte Schutzehe bzw. Scheinehe), vgl. § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG oder tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass eine Person zur Eheschließung genötigt worden ist (Zwangsehe), vgl. § 27 Abs. 1a Nr. 2 AufenthG. Liegen der zuständigen Auslandsvertretung im Einzelfall Hinweise vor, die eine der vorbezeichneten Annahmen tragen, werden die Ehepartern*innen in der Regel einbestellt und unabhängig voneinander (die nachziehende Person durch die Auslandsvertretung, die in Deutschland aufenthaltsberechtigte Person durch die zuständige Ausländerbehörde) befragt. Darüber hinaus verlangen die beteiligten Behörden in der Regel weitere Nachweise zum Beleg der Ernsthaftigkeit der Verbindung (z.B. Nachweise regelmäßiger Kommunikation via Telefon, Email oder Messenger oder auch gemeinsame Fotos etc.). Bestätigt sich der Verdacht der Behörden, wird das Visum zum Zweck des Ehegattennachzugs versagt.

 

Minderjährigen-Ehe

Zum Zeitpunkt der Visumerteilung müssen grundsätzlich beide Ehepartner*innen das 18. Lebensjahr vollendet haben, vgl. § 30 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (sowie Visumhandbuch, Abschnitt "Ehegattennachzug bei Minderjährigkeit eines Ehegatten", S. 1/6).

Ist eine Eheschließung nach dem jeweiligen Recht des Heimatlandes auch vor Erreichen der Volljährigkeit möglich, ist zu prüfen, ob die Eheschließung auch in Deutschland als wirksam anerkannt wird.

Bis Mitte 2017 waren die Eheschließungen regelmäßig als wirksam anzuerkennen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 12.05.2016 - 2 UF 58/16 (Beschluss nach § 69 FamFG) – asyl.net: M23863). Mit Inkraftreten des "Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen" am 22.07.2017 erfuhren die bis dahin geltenden Regelungen gravierende Änderungen mit weitreichenden Folgen für die Anerkennung im Ausland geschlossener Ehen. Im Jahr 2018 legte der Bundesgerichtshof das Gesetz dem Bundesverfassungsgericht mit der Frage zur Entscheidung vor, ob die generelle Unwirksamkeit ausländischer Ehen mit unter 16-Jährigen mit Art. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG vereinbar ist (BGH, Beschluss vom 14.11.2018 - XII ZB 292/16 - asyl.net: M26892). Mit Beschluss vom 01.02.2023 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Regelung festgestellt, weil es an Regelungen über die Folgen der Unwirksamkeit fehle, wie etwa über Unterhaltsansprüche, und über eine Möglichkeit, die nach ausländischem Recht rechtswirksame Ehe nach Erreichen der Volljährigkeit auch nach deutschem Recht als wirksame Ehe führen zu können, (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2023, 1 BvL 7/18). Der Beschluss hatte jedoch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Fallkonstellationen mit Bezug zum Familiennachzug, weil das Gesetz vorerst in Kraft blieb und damit die Ehen, bei denen eine Person unter 16 war, weiterhin (nach deutschem Recht) unwirksam waren.

Am 01.07.2024 trat das "Gesetz zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen" in Kraft, welches die bisherigen Regelungen ergänzt, indem es die Folgen und Heilungsmöglichkeiten unwirksamer Minderjährigenehen regelt.

Folgende Regelungen sind von besonderer Bedeutung für den Familiennachzug:

Im Ausland wirksam geschlossene Ehen, bei denen eine*r der Ehepartner*innen zum Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, sind gemäß Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB nach deutschem Recht unwirksam.

Dies gilt nicht, soweit:

  • der minderjährige Ehegatte vor dem 22. Juli 1999 geboren worden ist, vgl. Art. 229 § 44 Abs. 4 Nr. 1 EGBGB, oder
  • die nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Ehe bis zur Volljärigkeit des Minderjährigen im Ausland geführt wurde und keiner der Ehegatten in dieser Zeit seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, vgl. Art. 229 § 44 Abs. 4 Nr. 2 EGBGB

Gemäß § 1305 BGB kann eine nach Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB unwirksame Ehe geheilt werden, indem die Ehepartner*innen die Ehe in Deutschland erneut schließen, nachdem die bei der Eheschließung noch nicht 16-jährige Person das 18. Lebensjahr vollendet hat. Laut der Gesetzesbegründung sei im Rahmen des Familiennachzugs der unwirksam verheirateten Person (und ihren Kindern) regelmäßig ein Visum zur Eheschließung zu erteilen, wenn die übrigen Voraussetzungen zum Ehegattennachzug bzw. Kindernachzug vorlägen. Das in § 7 Abs. 1 S. 3 AufenthG eingeräumte Ermessen sei diesbezüglich im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG auszuüben, vgl. BT-Drs. 20/11367, S. 16 sowie Visumhandbuch, Abschnitt "Ehegattennachzug bei Minderjährigkeit eines Ehegatten".

Im Ausland wirksam geschlossene Ehen bei denen eine*r der Ehepartner*innen zum Zeitpunkt der Eheschließung zwar das 16., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte, sind gemäß Art. 13 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB nach deutschem Recht aufhebbar.

Dies gilt nicht, soweit:

  • der bei Eheschließung minderjährige Ehegatte mittlerweile volljährig ist und zu erkennen gibt, dass er die Ehe fortsetzen möchte, vgl. § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB, oder
  • auf Grund außergewöhnlicher Umstände die Aufhebung der Ehe eine so schwere Härte für den minderjährigen Ehegatten darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheint, vgl. § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB.

Unter dem Begriff der "schweren Härte" sind ausweislich der Gesetzesbegründung vor allem gravierende Einzelfälle von schweren und lebensbedrohlichen Erkrankungen, sowie eine krankheitsbedingte Suizidabsicht des Minderjährigen zu verstehen (vgl. BT-Drs. 18/12086, S.17), wobei von Seiten der Bundesregierung darauf hingewiesen wurde, dass dies keine abschließende Aufzählung der Härtefälle sei (vgl. BT-Drs. 18/12377, S. 11).

Gemäß § 98 Abs. 2 FamFG ist für die Aufhebung einer Ehe das Familiengericht zuständig. Dies gilt jedoch nur, soweit sich der Ehepartner, der bei Eheschließung 16 oder 17 Jahre alt war, im Bundesgebiet aufhält. Bis zur Aufhebung bleibt die Ehe wirksam. 

Ist die im Ausland geschlossene Ehe nach den vorbezeichneten Grundsätzen wirksam, kann für den Ehegattennachzug eine Ausnahme vom Erfordernis der Volljährigkeit zur Vermeidung einer besonderen Härte gemacht werden, vgl. § 30 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. In solchen Fällen muss die Erteilung des Visums bzw. der darauffolgenden Aufenthaltserlaubnis notwendiges Mittel zur Vermeidung der besonderen Härte sein (Bsp.: unzumutbares Abwarten bei Schwangerschaft und baldiges Erreichen der Volljährigkeit). Beachtet werden sollte jedoch, dass die Einreise ins Bundesgebiet vor Erreichen der Volljährigkeit unter Umständen die Aufhebung der Ehe ermöglicht (vgl. § 98 Abs. 2 FamFG), soweit nicht der Ausschlussgrund der schweren Härte gemäß § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB zum Tragen kommt.

 

Sprachkenntnisse

Der/die nachziehende Ehepartner*in muss sich gem. § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG grundsätzlich auf einfache Art in der deutschen Sprache verständigen können. Auf einfache Art bedeutet gem. § 2 Abs. 9 AufenthG Deutschkenntnisse auf A1-Niveau.

Diese Voraussetzung gilt nicht für nachziehende Ehepartner*innen zu einer schutzberechtigten Person mit einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 4 (Resettlement-Flüchtlinge), § 25 Abs. 1 (Asylberechtigte) und § 25 Abs. 2 Alt. 1 AufenthG (anerkannte GFK-Flüchtlinge), soweit die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft bereits bestand als die schutzberechtigte Person ihren Lebensmittelpunkt ins Bundesgebiet verlagerte, vgl. § 30 Abs. 1. S. 3 Nr. 1 AufenthG. Des Weiteren sind die einfachen Sprachkenntnisse auch keine Voraussetzung für den Nachzug zu Personen mit subsidiärem Schutz, da der Nachzug gesondert in § 36a AufenthG geregelt ist, siehe Sonderfall: Nachzug zu subsidiär schutzberechtigten Personen.

Wenn die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft erst nach Einreise ins Bundesgebiet begründet worden ist, kommt unter anderem eine Ausnahme in Betracht, soweit die nachziehende Person aufgrund körperlicher, geistiger oder seelischer Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, die notwendigen Sprachkenntnisse zu erwerben, vgl. § 30 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AufenthG.

Zudem können es besondere Umstände des Einzelfalls unmöglich oder unzumutbar machen, vor der Einreise die erforderlichen Sprachkenntnisse zu erwerben (z.B. fehlende Zugangsmöglichkeit, Alter, Bildungsniveau oder finanzielle Lage der nachzugswilligen Person) und erlauben ein Absehen von dieser Voraussetzung, vgl. § 30 Abs. 1. S 3 Nr. 6 AufenthG.

Für weiterführende Informationen zu den Nachweismöglichkeiten und Ausnahmen, vgl. Visumhandbuch, Abschnitt "Sprachnachweise".

Mit einer Aufzählung von Einzelfallumständen vertiefend: EUGH, Urteil vom 09.07.2015 – C-153/14 - K und A gegen Niederlande,  asyl.net: M23038, Asylmagazin 9/2015, S. 300 ff. Zur möglichen Unvereinbarkeit einer solchen Regelung, die an den Zeitpunkt der Eheschließung anknüpft, mit dem Recht auf Achtung des Familienlebens (Art. 8 EMRK) und dem Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK), vgl. auch Urteil des EGMR vom 06.11.2012 -22431/09 - Hode & Abdi v. Großbritannien.

 

Sicherung des Lebensunterhaltes und ausreichender Wohnraum

Vom Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhaltes und dem Nachweis ausreichenden Wohnraums ist in den Fällen des § 29 Abs. 2 S. 2 AufenthG abzusehen, vgl. Ausführungen unter Vereinfachter Familiennachzug zu Schutzberechtigten. Sind dessen Voraussetzungen nicht erfüllt, gilt, dass der Ehegattennachzug in der Regel nur dann erlaubt wird, wenn der Lebensunterhalt gesichert ist und ausreichender Wohnraum nachgewiesen werden kann, vgl. die Ausführungen unter Regelerteilungsvoraussetzungen.

 

Mehrehe

Im Zusammenhang mit dem Ehegattennachzug erlangt zudem die Thematik der Mehrehe besondere Bedeutung für die Beratungspraxis.

Der Fall des Ehegattennachzugs in Mehrehe ist in § 30 Abs. 4 AufenthG geregelt. Dabei sollen die Behörden zunächst die zivilrechtliche Vorfrage prüfen, inwieweit nach dem auf beide Eheleute jeweils anwendbaren Personalstatut (Art. 3 Abs. 2, 5 Abs. 2, 13, 14, 17 EGBGB) eine wirksame Eheschließung stattgefunden hat. Insbesondere in muslimischen Rechtsordnungen unterliegt die wirksame Eingehung einer Mehrehe häufig besonderen verfahrens- und materiellrechtlichen Voraussetzungen, vgl. Visumshandbuch, Abschnitt "Ehegatten- bzw. Partnernachzug", 2.3. Mehrehen.

Liegt zwischen den Ehegatten eine wirksame (Mehr-) Eheschließung vor, besteht nach § 30 Abs. 4 AufenthG nur insoweit ein Nachzugsrecht, als in Deutschland die eheliche Lebensgemeinschaft nicht schon mit einem anderen Ehegatten geführt wird, denn nach einhelliger Auffassung unterliegt die Mehrehe nicht dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG, vgl. OVG Niedersachen, Urteil vom 29.11.2005 – 10 LB 84/05. Daher schließt § 30 Abs. 4 AufenthG, in Umsetzung der Vorgaben des Art. 4 Abs. 4 FamZ-RL, den Nachzug zweiter oder dritter Ehegatten aus.

Offen bleibt jedoch die Möglichkeit, dass dem weiteren Ehepartner oder -partnerin bei einer nach dem Heimatrecht wirksam geschlossenen Mehrehe der Familiennachzug im Ermessenswege gemäß der Härtefallregelung des § 36 Abs. 2 AufenthG gestattet werden kann, vgl. VG Berlin, Gerichtsbescheid vom 08.05.2015, 28 K 93.14 V (bezüglich der gleichzeitigen Antragstellung des Familiennachzugs zweier (Mehr-)Ehegatten) sowie Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, Sachstand: Zum Ehegattennachzug bei Mehrehen, WD 3 - 3000 - 294/18 (2018), S. 4. Ein Nachzug müsste in diesem Fall der Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte dienen und ist grundsätzlich vom Erfordernis der eigenständigen Lebensunterhaltssicherung und dem Nachweis ausreichenden Wohnraums abhängig, vgl. vertiefend Nachzug sonstiger Familienangehöriger.