Nachstehend finden sich Informationen, wie das Verfahren der Familienzusammenführung nach der Dublin-III-VO initiiert wird, welche Unterlagen durch die Beteiligten zusammengestellt werden sollten und wie sich der Ablauf des Verfahrens konkret gestaltet.
Wie bereits erläutert ist es zwingend erforderlich, dass die nachziehende Person, welche die Familienzusammenführung in einem anderen Mitgliedstaat begehrt, in dem Mitgliedstaat, in welchem sie sich aufhält, einen Asylantrag bei der zuständigen Behörde stellt.
In Deutschland ist dies das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bzw. die zuständige Außenstelle des BAMF, die der betroffenen Person im Rahmen der bundesweiten Verteilung zugewiesen wurde.
Nach aktueller Rechtsprechung des EuGH gilt der Asylantrag grundsätzlich dann als gestellt, wenn der zuständigen Asylbehörde die Information über das Asylgesuch der schutzsuchenden Person schriftlich zukommt. Dies kann somit auch bereits bei einem Termin zur "Registrierung" geschehen, welcher der förmlichen Asylantragstellung vorausgeht (vgl. EuGH, Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 Mengesteab gg. Deutschland - asyl.net: M25274).
Vertiefende Informationen zum Ablauf des Asylverfahrens in Deutschland:
Bei der Familienzusammenführung im Rahmen der Dublin-III-VO handelt es sich nicht um ein Antragsverfahren. Das bedeutet, dass die Familienangehörigen nicht selbst einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen können, sondern bei der Asylantragstellung die zuständige Asylbehörde darauf hinweisen müssen, dass sich Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat befinden und sie mit diesen zusammengeführt werden möchten. Die jeweiligen Behörden leiten sodann das Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten ein.
Möchte eine schutzsuchende Person aus Deutschland also in ein anderes Land zu einem Familienmitglied ziehen, ist dies im Rahmen der Asylantragstellung bei der zuständigen Außenstelle des BAMF mitzuteilen. Möchte eine schutzsuchende Person nach Deutschland zu einem hier lebenden Familienmitglied nachziehen, muss der Wunsch bei der zuständigen Behörde in dem jeweiligen Mitgliedstaat geäußert werden.
Anders als im Visumverfahren bei einer deutschen Auslandsvertretung gibt es für das Verfahren der Familienzusammenführung nach der Dublin-III-VO keine verbindliche Bestimmung von Dokumenten, die z. B. zum Nachweis der familiären Beziehung durch die betroffenen Personen beizubringen sind. Insoweit obliegt es den Mitgliedstaaten ein glaubhaftes Vorbringen zu berücksichtigen, vgl. Erwägungsgrund 18 Dublin-III-VO.
Zu empfehlen ist es folgende Unterlagen zusammenzustellen und an die zuständige Behörde zu übergeben:
Für Beispielsvordrucke für die schriftlichen Erklärungen vgl. "Familienzusammenführungen nach Deutschland im Rahmen der Dublin-III-Verordnung. Anspruch – Verfahren – Praxistipps", S. 31 f., eine Arbeitshilfe, hrsg. von der Diakonie Deutschland und dem Informationsverbund Asyl und Migration e.V., (Stand: Dezember 2022).
Jeder Mitgliedstaat verfügt innerhalb seiner Asylbehördenstruktur über eine spezielle Abteilung, welche mit der Durchführung des Dublin-Verfahrens und darin speziell der Familienzusammenführung beauftragt ist. In Deutschland gibt es beim BAMF mehrere Dublin-Referate. Für Übernahmeersuchen an Deutschland aus einem anderen Mitgliedstaat ist das Referat Referat 32B (Ref32BPosteingang(at)bamf.bund.de) zuständig (vgl. BAMF-Organisationsplan).
Als Ansprechpartner für Personen, die eine Familienzusammenführung in einem anderen Mitgliedstaat begehren, dient jedoch zunächst die für sie zuständige Außenstelle bzw. das zuständige Ankunftszentrum des BAMF.
Das Verfahren beginnt damit, dass das zuständige Referat des Mitgliedstaates, in dem sich die nachziehende Person befindet, ein Aufnahmegesuch (vgl. Anhang I der Durchführungsverordnung zur Dublin-III-VO) an das zuständige Referat des Mitgliedstaates, in dem die Familienzusammenführung begehrt wird, übermittelt. Das Aufnahmegesuch muss zwingend innerhalb von drei Monaten nach Asylantragsstellung an den anderen Mitgliedstaat übersendet werden, vgl. Art. 20, Art 21 Abs. 1 Dublin-III-VO. Wenn die Frist vom Mitgliedstaat versäumt, wird er automatisch selbst für die Durchführung des Aslyverfahrens zuständig, vgl. Art. 21 Abs. 1 UAbs. 3 Dublin-III-VO.
Achtung! Nach aktueller Rechtsprechung des EuGH gilt der Asylantrag grundsätzlich dann als gestellt, wenn der zuständigen Asylbehörde die Information über das Asylgesuch der schutzsuchenden Person schriftlich zukommt. Dies kann somit auch bereits bei einem Termin zur "Registrierung" geschehen, welcher der förmlichen Asylantragstellung vorausgeht (vgl. EuGH, Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 Mengesteab gg. Deutschland - asyl.net: M25274).
Achtung! Nach Ablauf der drei Monate ist ein Aufnahmegesuch dann nur bei Vorliegen humanitärer Gründe möglich. Da es in diesem Fall der freien Entscheidung der Mitgliedstaaten obliegt, ob das Aufnahmegesuch überhaupt gestellt oder dem Antrag zugestimmt wird (vgl. Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO), sollte die Person, welche eine Familienzusammenführung begehrt, möglichst schon zum Zeitpunkt der Asylantragstellung, wenigstens aber zeitnah zu dieser, mit dem Wunsch auf Familienzusammenführung und den notwendigen Unterlagen an die Behörde herantreten.
Der um Aufnahme ersuchte Mitgliedstaat prüft sodann anhand der Zuständigkeitskriterien der Verordnung, ob die Voraussetzungen einer Familienzusammenführung nach Maßgabe der Dublin-III-VO vorliegen (zum Prüfungsumfang vgl. Grundsätze nach der Dublin-III-VO), wobei er für die Prüfung an eine Frist von 2 Monaten gebunden ist, vgl. Art. 22 Abs. 1 Dublin-III-VO. Stellt er fest, dass die Voraussetzungen für eine Familienzusammenführung zum Zeitpunkt der Asylantragsstellung erfüllt sind, stimmt er zu und erklärt sich für die Durchführung des Asylverfahrens der antragstellenden Person für zuständig.
Überschreitet der um Aufnahme ersuchte Mitgliedstaat die 2-Monatsfrist gilt seine Zustimmung als erteilt, vgl. Art 22 Abs. 7 Dublin-III-VO. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer „Zustimmungsfiktion“.
Achtung! Dies gilt nicht bei Aufnahmegesuchen, die aus humanitären Gründen gemäß Art. 17 Abs. 2 Dublin-III-VO erst nach Ablauf der vorgesehenen drei Monate gestellt wurden. Hier muss die anfragende Behörde immer die Antwort des angefragten Mitgliedstaats abwarten. Diese ist allerdings fristungebunden und jederzeit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Sache möglich.
Geht der ersuchte Mitgliedstaat davon aus, dass die Voraussetzungen einer Familienzusammenführung nicht vorliegen, kann er das Aufnahmegesuch ablehnen. Eine Ablehnung muss sämtliche Gründe für die Ablehnung nennen, vgl. Art. 5 Abs. 1 Dublin-Durchführungsverordnung. In diesem Fall kann der ersuchende Mitgliedstaat innerhalb von drei Wochen nach der Ablehnung das Aufnahmegesuch erneut vorzulegen (Wiedervorlage), um auf die in der Ablehnung gegannten Gründe zu reagieren und ggf. noch Unterlagen nachreichen, z.B. falls wegen fehlender Nachweise abgelehnt wurde. Daher empfiehlt es sich, in diesem Fall mit der zuständigen Behörde in Austausch zu bleiben und sich regelmäßig über aktuelle Entwicklungen zu informieren.
Der ersuchte Mitgliedstaat soll auf eine Wiedervorlage innerhalb von zwei Wochen antworten, vgl. Art. 5 Abs. 2 Dublin-Durchführungsverordnung. Eine verspätete Antwort führt jedoch nicht mehr zu einem Übergang der Zuständigkeit auf den ersuchten Mitgliedstaat (vgl. EuGH, Urteil vom 13.11.2018 - C-47/17; C-48/17 X und X gg. die Niederlande - Asylmagazin 1-2/2019, S. 31 f. - asyl.net: M26728).
Erklärt sich der angefragte Mitgliedstaat hinsichtlich der Durchführung des Asylverfahrens für zuständig und stimmt der Familienzusammenführung zu, so hat der ersuchende Mitgliedstaat nunmehr 6 Monate Zeit, die Überstellung der betreffenden Person in den zuständigen Staat zu organisieren, vgl. Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO und Art. 7 Dublin-Durchführungsverordnung.
Achtung! Wenn die Überstellung nicht innerhalb dieses Zeitraums erfolgt, wird doch wieder der ersuchende Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig und das Verfahren läuft ins Leere, vgl. Art 29 Abs. 2 Dublin-III-VO.
Betroffene können die Einhaltung dieser Überstellungsfrist auch gerichtlich geltend machen, vgl.EUGH, Urteil vom 26.07.2017 - 670/16 Mengesteab gg. Deutschland, asyl.net: M25274; VG Wiesbaden, Beschluss vom 15.09.2017 - 6L4438/17 WI, asyl.net: M25517; VG Halle, Beschluss vom 14.11.2017 - 5B858/17 HAL, asyl.net: M25674; VG Berlin, Beschluss vom 23.11.2017 - 23 L 836.17 A, asyl.net: M25667; ablehnend: VG Würzburg, Beschluss vom 02.11.2017, W 2 E 17.50674, asyl.net: M25678.
Die betreffende Person wird über die Entscheidung der Behörden mittels eines Bescheides in Kenntnis gesetzt.
Es ist im Rahmen des Dublin-Verfahrens grundsätzlich möglich, dass die nachziehenden Person zum Zweck der Überstellung selbstständig in den für ihr Asylverfahren nun zuständigen Mitgliedstaat reist. Dies kann unter Umständen auch zur Beschleunigung der Familienzusammenführung dienen. Dennoch sollte dies nur in Absprache mit den zuständigen Behörden erfolgen, da der Person hierfür ein sogenannter Laissez-passer (Passierschein) auszustellen ist, vgl. Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO und Art. 7 Dublin-Durchführungsverordnung. In der Praxis wird durch das BAMF stets nur die kontrollierte oder begleitete Einreise zugelassen, da auf diese Weise die Zuständigkeit dokumentiert und ein etwaiges Untertauchen der Person verhindert werden soll. Hierzu werden die betroffenen Personen entweder bis zum Transportmittel begleitet oder mit Hilfe eines mitreisenden Beamten an eine Person der Behörde des nunmehr zuständigen Mitgliedstaates übergeben.
Sollte in der Beratungssituation unklar sein, ob seitens des Mitgliedstaats, in dem sich das nachziehende Familienmitglied aufhält, bereits ein Aufnahmeersuchen bereits gestellt wurde, kann es hilfreich sein, sich mit einer Nachfrage an die jeweils zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu wenden. Sollte ein Aufnahmegesuch noch nicht vorliegen, kann der Mitgliedstaat, in welchem sich die Referenzperson aufhält, das Verfahren seinerseits nicht initiieren, sondern muss das offizielle Aufnahmegesuch abwarten. Nach Auskunft des BAMF besteht jedoch die Möglichkeit, einen Hinweis an die Partnerbehörde zu geben, dass augenscheinlich die Voraussetzungen für eine Familienzusammenführung im Dublin-Verfahren vorliegen. Hierzu benötigt das BAMF die Personalien der im anderen Mitgliedstaat aufhältigen Person, sowie das Datum ihrer Asylantragstellung und das dazugehörige Aktenzeichen.
Ist indessen klar, dass ein Aufnahmegesuch bereits gestellt wurde, kann eine Kontaktaufnahme mit der zuständigen Behörde im Mitgliedstaat, in dem die Zusammenführung erfolgen soll, sinnvoll sein, um abzuklären, ob der um Aufnahme ersuchte Mitgliedstaat weitere Unterlagen zur Erteilung der Zustimmung benötigt. Auch hierfür sind die Personalien, das Datum der Asylantragstellung und das entsprechende Aktenzeichen bereit zu halten.
Abschließend sollte in der Beratung nochmals darauf hingewiesen werden, dass eine Familienzusammenführung nach der Dublin-III-VO dem Zweck dient, dass die Angehörigen für die Durchführung des Asylverfahrens vereint werden. Das bedeutet, dass die in den Mitgliedstaat ihres Familienmitglieds nachziehende Person nach ihrer Ankunft verpflichtet ist, bei der zuständigen Behörde vorzusprechen und in diesem Mitgliedstaat ihr Asylverfahren zu durchlaufen.
Die Kosten einer Dublin-Überstellung trägt der überstellende Mitgliedstaat, vgl. Art. 30 Abs. 1 Dublin-III-VO und in Deutschland die jeweils für die zu überstellende Person zuständige Ausländerbehörde. In Fällen, in denen sich die Person etwa in Griechenland befindet, kann dies aufgrund der Vielzahl der dortigen Verfahren zu erheblichen Verzögerungen beitragen.
Die Kostenpflicht trifft den überstellenden Mitgliedstaat dann nicht, wenn die nachziehende Person die Reise selbst (in enger Absprache mit den zuständigen Behörden!) organisiert. Eine finanzielle Unterstützung kann für solche Fälle durch sogenannte Familienzusammenführungsfonds in Betracht kommen, welche z.B. durch die Diakonie Deutschland (zum Fond) oder dieCaritas (anzufragen über die Beratungsstellen der Caritas) eingerichtet wurden. Ebenso stellen manche Kirchengemeinden finanzielle Mittel zur Unterstützung bereit, die im Einzelfall angefragt werden können.
Lehnt ein Mitgliedstaat das Aufnahmegesuch eines anderen Mitgliedstaates ab, so hat der ersuchende Mitgliedstaat die Möglichkeit, das Gesuch innerhalb von drei Wochen erneut dem Mitgliedstaat vorzulegen ("Wiedervorlage"), vgl. Art. 5 Abs. 2 Dublin-Durchführungsverordnung. Ein solches unmittelbares Vorgehen gegen die ablehnende Entscheidung steht der betroffenen Person selbst nicht offen, da es sich bei dem Verfahren, wie bereits erörtert, nicht um ein Antragsverfahren, sondern ein Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten handelt (vgl. auch Abschnitt "Verfahrensablauf").
Während des Wiedervorlageverfahrens können neue Nachweise und Dokumente eingereicht werden sowie auf entsprechende Rechtsprechung hingewiesen werden. Da die Ablehnung nicht gegenüber der betroffenen Person ergeht, bedarf es eines engen Austausches mit den Behörden des ersuchenden Mitgliedstaates. Zur Kontaktaufnahme mit dem BAMF bedarf es einer Bevollmächtigung durch alle betroffenen Personen, da das BAMF ansonsten keine Auskunft über etwaige Ablehnungen und deren Begründungen erteilt. Es empfiehlt sich spätestens hier rechtliche Unterstützung einzuholen, um auf alle Ablehnungsgründe umfassend einzugehen.
Zuletzt besteht die Möglichkeit der Durchführung eines Gerichtsverfahrens. Es handelt sich dabei um einen Eilantrag nach § 123 VwGO. Die Frage nach einem Rechtsbehelf im Rahmen der Familienzusammenführung nach der Dublin-III-VO war lange umstritten. Inzwischen hat der EuGH entschieden, dass es jedenfalls einen Rechtsbehelf für unbegleitete Minderjährige geben muss, vgl. EuGH, Urteil vom 01.08.2022 - C-19/21 I, S gg. Niederlande (Asylmagazin 9/2022, S. 320 ff.) - asyl.net: M30813. Die Entscheidung über den Eilantrag ist unanfechtbar, das bedeutet, es gibt keine weiteren Rechtsmittel, um gegen sie vorzugehen.
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