Grundsätzlich gelten für jedes Visumsverfahren zum Familiennachzug die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen der §§ 5, 11, 27 und 29 AufenthG, welche nachfolgend erläutert werden sollen. Ausnahmen von einzelnen Erfordernissen gelten im Bereich des Nachzugs zu schutzberechtigten Personen soweit die gesetzliche Privilegierung des § 29 Abs. 2 AufenthG Anwendung findet, vgl. vereinfachter Familiennachzug zu Schutzberechtigten.
In der Regel setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs voraus, dass der Lebensunterhalt der in Deutschland aufenthaltsberechtigten Person sowie des nachzugsbegehrenden Familienmitglieds gesichert ist (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).
Davon ist auszugehen, wenn der Lebensunterhalt einschließlich ausreichendem Krankenversicherungsschutz ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestritten werden kann, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Unter dem Begriff „Lebensunterhalt“ ist dabei die Gesamtheit aller Mittel zu verstehen, die erforderlich sind, um den Bedarf eines Menschen bzw. der mit ihm in einer Gemeinschaft lebenden Personen zu decken, vgl. Nr. 2.3.1. AVwV-AufenthG.
Nicht als Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gilt gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG der Bezug von:
Im Konkreten trifft die Ausländerbehörde hierzu für jeden Einzelfall eine Prognoseentscheidung, in der sie den finanziellen Bedarf dem tatsächlichen Einkommen gegenüberstellt. Ob tatsächlich öffentliche Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes bezogen werden, ist für die Behördenentscheidung unerheblich, entscheidend ist, ob rein rechnerisch ein Anspruch besteht.
Ausführliche Informationen zur Berechnung des Lebensunterhaltes:
"Visum, Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis: Die Sicherung des Lebensunterhalts als Erteilungsvoraussetzung für einen Aufenthaltstitel", Arbeitshilfe, hrsg. vom Paritätischen Gesamtverband, Stand Januar 2024
"Sicherung des Lebensunterhalts", Seminar-Skript von RA Sven Hasse, Stand Juni 2021, veröffentlicht auf jurati.de (externer Link)
„Die Sicherung des Lebensunterhalts – Ein systematischer Überblick zur Grundvoraussetzung für die Erteilung von Aufenthaltstiteln“, Beitrag von Sven Hasse in Asylmagazin 7-8/2015, S.225-231
Die aktuell zu Grunde zu legenden Regelsätze sind hier abrufbar:
Anlage 1 SGB XII – Regelbedarfsstufen zu § 28 SGB XII
Im Rahmen des Familiennachzugs sind zudem europarechtliche Vorgaben zu beachten. Denn die Erteilung eines Aufenthaltstitels kann zwar an die Erfüllung der Lebensunterhaltssicherung geknüpft werden, vgl. Art. 7 Abs. 1 Bst. c FamZ-RL. Diese Befugnis ist jedoch eng auszulegen und darf nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nicht dazu führen, dass das Ziel und die praktische Wirksamkeit der FamZ-RL beeinträchtigt werden, vgl. EuGH, Urteil vom 4.03.2010, Rs. C-578/08 - Chakroun, Rn. 43, asyl.net: M16714, Asylmagazin 2010, S. 167 ff. Denn nach Ansicht des Gerichtshofes soll die Familienzusammenführung grundsätzlich genehmigt werden. Die staatliche Befugnis die Familienzusammenführung von Voraussetzungen abhängig zu machen, darf nicht dazu führen, dass das Recht der Betroffenen auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt wird, vgl. EuGH, Urteil vom 06.12.2012 Rs. C-356/11 und C-357/11, Rn. 74 ff., asyl.net: M20225. Laut Gerichtshof haben die Behörden bei der Beurteilung der Erteilungsvoraussetzungen zwar einen Ermessensspielraum, das Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung ist jedoch im Lichte des Rechts auf Familie nach Art. 7 GR-Charta und Art. 8 Abs. 1 EMRK und des Kindeswohls nach Art. 24 II und III GR-Charta auszulegen, sowie unter Berücksichtigung des Kindeswohls und dem Bestreben das Familienleben zu fördern, vgl. insoweit auch Erwägungsgrund 2 und Art. 5 Abs. 5 FamZ-RL.
Die Voraussetzung eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes im Sinne des § 2 Abs. 3 AufenthG ist erfüllt, soweit die in Deutschland bereits aufenthaltsberechtigte Person in einer gesetzlichen Krankenversicherung krankenversichert ist. Nachziehende Familienangehörige können in der Regel in derselben Krankenversicherung mitversichert werden (Familienversicherung). Sollten Zweifel hinsichtlich der Erweiterung als Familienversicherung bestehen, ist es ratsam, sich direkt beim Versicherungsträger zu erkundigen.
Dem Erfordernis des ausreichenden Wohnraums, wie es § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG festlegt, ist dann Genüge getan, wenn durch z.B. die Vorlage eines Mietvertrages nachgewiesen wird, dass:
Wohnfläche zur Verfügung stehen und Nebenräume wie Bad, WC und Küche in angemessenem Umfang mitgenutzt werden können. Eine Unterschreitung dieser Wohngröße ist um etwa 10% ist unschädlich. Zudem können auf Landesebene abweichende Regelungen getroffen werden, vgl. Nr. 2.4.2. AVwV AufenthG.
Zum Absehen von dieser Erteilungsvoraussetzung siehe Vereinfachter Familiennachzug zu Schutzberechtigten – Ausnahmen nach Maßgabe des § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG.
Passpflicht
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG in Verbindung mit § 3 AufenthG ist jede ausländische Person verpflichtet, einen gültigen und anerkannten Pass oder Passersatz zu besitzen. Hiervon kennt das Gesetz in § 5 Abs. 3 AufenthG Ausnahmen, die jedoch im Rahmen der Visumserteilung zum Zweck des Familiennachzugs keine Anwendung finden. Das bedeutet, dass die nachzugswilligen Familienangehörigen von der Pflicht zur Vorlage eines Passes oder Passersatzes grundsätzlich nicht befreit sind.
Minderjährige, die das 16. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, erfüllen ihre Passpflicht auch durch die Eintragung in einem anerkannten und gültigen Pass ihres gesetzlichen Vertreters, wobei mit Vollendung des 10. Lebensjahres zwingend ein Lichtbild des Kindes angebracht sein muss, vgl. § 2 Aufenthaltsverordnung (im Folgenden: AufenthV).
In Bezug auf den hier besprochenen Personenkreis von anerkannten Flüchtlingen stellt diese gesetzliche Voraussetzung ein besonderes Problem dar. Denn im Falle, dass ein erforderlicher Pass nicht vorliegt, würde die Pflicht der Passbeschaffung von anerkannten Flüchtlingen verlangen, den Kontakt zu Behörden ihres Herkunftsstaates – sei es im Inland oder in einer Auslandsvertretung – aufzunehmen. Dies kann jedoch schon vor dem Hintergrund als unzumutbar betrachtet werden, als dass es ein konstitutives Element der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 1 A (2) Genfer Flüchtlingskonvention (nachfolgend: GFK) ist, den Schutz des Herkunftsstaates wegen der erlittenen oder befürchteten Verfolgung nicht in Anspruch nehmen zu können oder zu wollen. Würden Flüchtlinge gleichwohl an die Behörden ihrer Herkunftsstaaten verwiesen, so könnten sich dadurch nicht nur Gefahren für den Flüchtling selbst, sondern auch für im Heimatstaat verbliebene Verwandte ergeben. Darüber hinaus bestünde das Risiko, dass die Behörden des Herkunftsstaates durch willkürliche Entscheidungen über die Ausstellung oder Verweigerung von Dokumenten weiterhin das persönliche Schicksal von Flüchtlingen in der Hand behielten und dadurch bereits erlittene oder befürchtete Verfolgung fortsetzen könnten.
Entsprechend regt bspw. UNHCR an, bei Flüchtlingen bzw. deren Angehörigen generell die Unzumutbarkeit der Passbeschaffung bei Behörden ihres Herkunftsstaates anzunehmen sowie die sonstigen Hindernisse für eine anderweitige Beschaffung zu beachten und flexible Lösungen für die betroffenen Personen zu finden (vgl. UNHCR, „Familienzusammenführung zu Personen mit internationalem Schutz - Rechtliche Probleme und deren praktische Auswirkungen, Asylmagazin 4/2017, S. 132-137).
Aus diesem Grund sind die Aufnahmestaaten von Flüchtlingen gemäß Art. 25 GFK bzw. Art. 27 GFK dazu verpflichtet, rechtmäßig aufhältigen Flüchtlingen administrative Unterstützung zu gewähren sowie Dokumente und Bescheinigungen auszustellen, die normalerweise vom Heimatstaat ausgestellt würden. Das gleiche gilt für Familienangehörige von anerkannten Flüchtlingen, die nach wie vor im Ausland aufhältig sind.
Dem folgend ermöglicht § 7 AufenthV den deutschen Behörden, in Fällen, in denen kein gültiger Reisepass vorliegt und eine Beschaffung unzumutbar ist (vgl. § 5 Abs. 1 AufenthV), Ersatzdokumente zur Einreise auszustellen. Für die Beratung sollte beachtet werden, dass diese Möglichkeit in der Praxis äußerst restriktiv gehandhabt wird.
Zudem muss dazu ein gesonderter Antrag auf Befreiung von der Passpflicht bei der zuständigen Auslandsvertretung gestellt und glaubhaft begründet werden. Tragende Gründe können hier beispielsweise ein glaubhaft gemachtes regimekritisches Verhalten oder eine medizinische Eilbedürftigkeit sein. Die Auslandsvertretung leitet den Antrag dann über das Auswärtige Amt an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Deutschland weiter, wo die Prüfung in einem eigenen vom Visumverfahren unabhängigen Verfahren erfolgt. Zu beachten ist, dass ein Verfahren zur Befreiung von der Passpflicht nur dann in Gang gesetzt wird, wenn nach Prüfung des Visumantrages alle sonstigen Voraussetzungen für die Visumserteilung gegeben sind. Lässt das BAMF in der Folge eine Ausnahme von der Passpflicht gemäß § 3 Abs. 2 AufenthG zu, ergeht hierüber ein Bescheid. Dieser Bescheid wird der antragstellenden Person durch die zuständige Auslandsvertretung gemeinsam mit dem erteilten Visum in Form eines sogenannten Blattvisums ausgehändigt. Diese beiden Dokumente berechtigen das nachziehende Familienmitglied gemeinsam mit dem nicht anerkannten Pass zur Einreise nach Deutschland, vgl. Visumhandbuch, Abschnitt "Ausnahme von der Passpflicht".
Hiervon abzugrenzen, ist die Konstellation, in der die nachzugswillige Person nachweislich keinen Pass oder Passersatz einer ausländischen Behörde besitzt, noch ein solches Dokument in zumutbarer Weise erlangen kann. In diesen Fällen kann die zuständige Auslandsvertretung einen sogenannten Reiseausweis für Ausländer ausstellen, soweit die Identität der Person geklärt ist, die anderweitig notwendigen Voraussetzungen für die Visumserteilung gegeben sind und das BAMF in zugestimmt hat, vgl. Visumhandbuch, Abschnitt "Reiseausweis für Ausländer". Das erforderliche Visum wird in diesen Fällen im Reiseausweis vermerkt, der in dieser Form dann zur Einreise ins Bundesgebiet berechtigt.
Relevant ist dieses Verfahren in der Beratungspraxis vor allem bei somalischen Staatsangehörigen und palästinensischen Volkszugehörigen mit einem „Reisedokument für Flüchtlinge“, die einen Familiennachzug zu einem in Deutschland lebenden Angehörigen wünschen.
Geklärte Identität
Weiter setzt die Erteilung eines Visums voraus, dass die Identität und die Staatsangehörigkeit der antragstellenden Person geklärt sind, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG. Hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn im Visumsverfahren ein gültiger Pass oder Passersatz vorgelegt werden kann.
Nur wenn dies nicht der Fall ist, erlangt die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG eigenständige Bedeutung und die antragstellende Person muss ihre Identität und Staatsangehörigkeit durch andere geeignete Mittel nachweisen, vgl. hierzu Ausführungen zur „qualifizierten Glaubhaftmachung“ im Abschnitt "Verfahren", "notwendige Dokumente". Dabei ist zu beachten, dass es der zuständigen Auslandsvertretung obliegt, im Einzelfall zu entscheiden, welche Nachweise sie hierzu als ausreichend anerkennt. In der Regel eignen sich hierfür Dokumente wie z.B. ein abgelaufener Pass, Personalausweis, Führerschein, Urkunden, Zivilregisterauszug etc.. Fehlen auch solche geeigneten Nachweise zum Beleg bzw. zur Glaubhaftmachung der Identität, muss sich der Konsularbeamte auf andere Art von der Identität der antragstellenden Person überzeugen. Dazu kann er im Rahmen einer erweiterten Prüfung alle verfügbaren Beweismittel, u.a. auch Zeugenaussagen heranziehen. Die Gesamtheit der zusammengetragenen Beweiselemente muss der Beweiskraft einer Personenstandsurkunde gleichkommen, worüber im Einzelfall durch die Auslandsvertretung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist.
Relevanz erlangt in diesem Zusammenhang auch die Problematik, dass ausländische Urkunden aus manchen Ländern (vgl. Auswärtiges Amt, "Liste der Staaten, in denen die Voraussetzungen für die Legalisation nicht gegeben sind") in ihrer Echtheit durch die deutschen Auslandsvertretungen angezweifelt werden. Mit der Begründung, man könne in diesen Ländern nicht von einem verlässlichen Urkundensystem ausgehen, kann es in Zweifelsfällen dazu kommen, dass die Botschaft ergänzende Ermittlungen anstellt, um z.B. mit Hilfe einer Vertrauensanwältin oder eines Vertrauensanwalts der deutschen Auslandsvertretung, die Richtigkeit der vorgelegten Dokumente zu überprüfen. Hierfür kann diese oder dieser z.B. Einsicht in die von den verschiedenen Institutionen geführten Register nehmen oder mit Angehörigen oder anderen Personen (z.B. frühere Schulleitung oder Geistlichen, die die Taufe oder die Trauung vorgenommen haben) in Kontakt treten, vgl. Ausführungen unter "notwendige Dokumente". Dies kann zu erheblichen Verzögerungen im Visumsverfahren von mehreren Monaten führen. Zudem werden die Kosten einer solchen Urkundenüberprüfung der Person auferlegt, die das Visum beantragt.
Vgl. zu dieser Thematik auch den Abschnitt "Nachweis staatlicher Registrierung der Eheschließung" unter "Bearbeitung von Visumsanträgen eritreischer Staatsangehöriger".
Der Familiennachzug kann abgelehnt werden, wenn ein Ausweisungsinteresse in der Person des nachziehenden Familienmitglieds besteht, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Was hierunter zu verstehen ist, ergibt sich aus den §§ 53 und 54 AufenthG. Danach können mittlere bis schwere Straftaten, auch im Ausland begangene (vgl. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG), und extremistische oder terroristische Aktivitäten der Erteilung des begehrten Visums und eines anschließenden Aufenthaltstitels entgegenstehen.
Hintergrund der Regelung ist der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Im Visumsverfahren hat die antragstellende Person zu diesem Zweck neben den erforderlichen Angaben zu Personalien und Aufenthaltszweck auch eine Erklärung über etwaige Verurteilungen abzugeben. Macht die antragstellende Person im Visumsverfahren hierzu falsche Angaben, ist zu beachten, dass dies bereits für sich ein Ausweisungsinteresse begründen kann, vgl. § 54 Abs. 2 Nr. 7 und 9 AufenthG.
Gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG können Behörden aber trotz bestehendem Ausweisungsinteresse eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilen.
Der Erteilung des begehrten Visums kann es gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG entgegenstehen, dass die nachzugswillige Person in der Vergangenheit aus dem Bundesgebiet ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist. In diesen Fällen besteht für sie ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot. Eine Erteilung des begehrten Visums kommt hier grundsätzlich erst nach Ablauf der Sperrfrist in Betracht.
Ergeben sich also in der Beratung Hinweise, dass ein Einreiseverbot besteht, ist jedoch nicht klar, wie lang dies im Einzelnen befristet ist, kann eine Nachfrage bei der Ausländerbehörde, die die Ausweisung und/oder Abschiebung vorgenommen hat bzw. bei der Ausländerbehörde oder dem BAMF, welches das Einreiseverbot angeordnet hat, diesbezüglich Klarheit bringen.
Hinzuweisen ist zudem auf die Möglichkeit, dass es der betroffenen Person jederzeit freisteht, auch aus dem Ausland eine Aufhebung oder Verkürzung der Sperrfrist zu beantragen, vgl. § 11 Abs. 4 AufenthG. Ein solcher Antrag kann gegebenenfalls mit dem Antrag auf Familiennachzug verbunden werden.
Gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 AufenthG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland grundsätzlich nur dann möglich, wenn die betreffende Person mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung des Aufenthaltstitels maßgeblichen Angaben bereits im Visumsverfahren gemacht hat.
Daher ist es wichtig, dass eine nachzugswillige Person bereits im Visumsverfahren deutlich macht, dass sie den Aufenthalt in Deutschland aus familiären Gründen bezweckt (nationales Visum/ Visum für einen Aufenthalt länger als 90 Tage). Reist das Familienmitglied nämlich beispielsweise nur mit einem Besuchsvisum für einen Aufenthalt bis zu 90 Tagen (sog. „Schengenvisum“) nach Deutschland ein, wird die Ausländerbehörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel mit Verweis auf § 5 Abs. 2 AufenthG ablehnen, die Person zum Verlassen des Bundesgebiets auffordern und zu einer erneuten Durchführung des Visumsverfahrens unter Angabe des tatsächlich begehrten Aufenthaltszwecks verweisen.
Es genügt also nicht der Besitz irgendeines, sondern nur des für den jeweiligen Einzelfall, insbesondere den konkreten Aufenthaltszweck, notwendigen Visums.
Eine Ausnahme von der vorbezeichneten Pflicht besteht in den Sonderfällen der § 39 bis 41 AufenthV, wonach unter bestimmten Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel auch im Inland eingeholt werden kann.
Weiterhin kommt ein Absehen von der Durchführung des Visumsverfahrens gem. § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG im Ermessenswege in Betracht, wenn ein Anspruch auf die Erteilung des Aufenthaltstitels besteht oder es der Person aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls unzumutbar wäre, das Visumsverfahren nachzuholen. Gründe der Unzumutbarkeit können z.B. auf Schwangerschaft, Krankheit, Alter, einer schützenswerten Beziehung zu einem (pflegebedürftigen) Kind (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 02.11.2023 - 2 BvR 441/23 - asyl.net: M32014) oder Ehepartner oder einer Behinderung beruhen, die die Reise unmöglich machen. Zudem werden Fälle erfasst, in denen keine regulären Reiseverbindungen in den Herkunftsstaat bestehen oder die notwendige Durchreise durch einen Drittstaat unmöglich oder wegen kriegerischer Auseinandersetzungen mit einer Gefahr für Leib und Leben verbunden wäre, vgl. Nr. 5.2.2.3. AVwV-AufenthG. Die Kosten der Reise für die Nachholung des Verfahrens stellen für sich keinen solchen besonderen Umstand dar.
Die Entscheidung, ob von dieser Voraussetzung abgesehen wird, liegt im Ermessen der Ausländerbehörde.
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