Nachstehende Ausführungen sollen den Beteiligten erläutern, welche Handlungsmöglichkeiten zur Einflussnahme auf das Visumsverfahren bestehen und wie bei einer Ablehnung des Visumantrags vorzugehen ist.
§ 31 Abs. 3 AufenthV sieht die Möglichkeit vor, dass die Ausländerbehörde in den Fällen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder in dringenden Fällen der Visumerteilung vor der Beantragung des Visums bei der Auslandsvertretung eine sogenannte Vorabzustimmung erteilen kann, was zur Beschleunigung des Verfahrens beitragen kann.
Hierzu sollten alle relevanten Unterlagen, welche das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen belegen, zusammengestellt und mit einem entsprechenden Antrag auf Vorabzustimmung an die für das in Deutschland bereits aufenthaltsberechtigte Familienmitglied zuständige Ausländerbehörde übersandt werden, vgl. Muster.
Eine Möglichkeit der beschleunigten Eröffnung und Bearbeitung eines Visumverfahrens kann in bestimmten Fällen nach der Eintragung in die Warteliste für einen Vorsprachetermin bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung die Beantragung eines Vorzugstermins darstellen. Erfolgversprechend ist dies aber nur in Fällen, in denen bei Abwarten der gewöhnlichen Wartezeiten zum Verlust des Nachzugsanspruchs führen würde, also insbesondere beim Familiennachzug zu unbegleiteten Minderjährigen mit subsidiärem Schutzstatus, die innerhalb der nächsten 12 Monate volljährig werden, siehe "Nachzug zu subsidiär schutzberechtigten Personen" - "Hinweise zum Vorgehen in der Beratungspraxis".
Dort findet sich auch der Hinweis auf die Möglichkeit, in bestimmten Fällen mit anwaltlicher Hilfe beim Verwaltungsgericht Berlin einen Antrag auf einstweilige Anordnung (gem. § 123 Abs. 1 VwGO) zu stellen, wenn ein Familiennachzugsanspruch besteht, aber dessen Durchsetzung durch Erreichen der Volljährigkeit des Kindes in Deutschland vereitelt würde und das Visumsverfahren von den beteiligten Behörden zögerlich durchführt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.2013 - BVerwG 10 C 9.12, Leitsatz Nr. 3; Visumhandbuch des Auswärtigen Amtes, Abschnitt "Verwaltungsstreitverfahren", Unterabschnitt 2.2. "Einstweilige Anordnung").
In Ausnahmefällen kann auch die Möglichkeit der Gewährung eines vorgezogenen Sondertermins aufgrund eines medizinischen Notfalls bestehen. Siehe dazu "Unterstützungsmöglichkeiten" - "Unterstützung durch die IOM".
Den Auslandsvertretungen ist keine gesetzliche Frist für die Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines nationalen Visums gesetzt. Allerdings bestimmt § 75 VwGO, dass in der Regel innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung über einen Antrag entschieden werden muss, sonst kann (mit anwaltlicher Hilfe) eine Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Berlin erhoben werden. Verzögerungen sind ausnahmsweise unschädlich, wenn für diese ein zureichender Grund vorliegt (z.B. bei langwierigen Urkundenüberprüfungen) (siehe Visumhandbuch des Auswärtigen Amtes, Abschnitte „Entscheidung und Aktenführung“ und „Verwaltungsstreitverfahren“).
Angesichts der an einigen Auslandsvertretungen extrem langen Wartezeiten zwischen der Terminregistrierung und der Gewährung eines Vorsprachetermins zur Antragstellung stellt sich die Frage, inwiefern eine Untätigkeitsklage auch schon vor der persönlichen Antragstellung eine mögliche Option sein kann, eine Verkürzung der Wartezeit zu erwirken. Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein gültiger Visumsantrag nicht nur persönlich, sondern auch schriftlich (formlos) gestellt werden kann. Insofern wäre die Stellung eines schriftlichen, formlosen Visumantrags eine erste Voraussetzung, um nach Ablauf von mindestens drei Monaten eine Untätigkeitsklage einreichen zu können. Eine zweite Voraussetzung wäre, dass keine zureichenden Gründe dafür bestehen, dass über den Antrag noch nicht entschieden wurde. Es gibt eine Reihe von Gründen, die eine verzögerte behördliche Entscheidung rechtfertigen können, z.B. eine Überlastung der Behörde, obwohl sie geeignete Maßnahmen zu deren Minderung unternommen hat (siehe dazu Johanna du Maire, Aktuelles zum Familiennachzug zu eritreischen Schutzberechtigten, im Asylmagazin 9/2021, Abschnitt „Warten auf einen Termin – die Untätigkeitsklage als prozessualer Weg?“). Bislang hat die Rechtsprechung die Notwendigkeit der persönlichen Vorsprache aus Gründen der Identitätsklärung als „zureichenden Grund“ für die Nichtbearbeitung eines lediglich formlos gestellten Antrags anerkannt (vgl. z.B. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.01.2017 - 3 M 122.16 - asyl.net: M24816) und z.B. im Fall von Afghanistan auch zweijährige Wartezeiten auf einen Vorsprachetermin bei einer Auslandsvertretung aufgrund von „situationsbedingten Kapazitätsengpässen“ für zumutbar gehalten (vgl. die Urteile, die im Abschnitt „Verfahren“ - „Antragstellung“ verlinkt sind). Johanna du Maire macht demgegenüber jedoch darauf aufmerksam, dass die Gerichte bei der Beurteilung „zureichender Gründe“ für die ausstehende Entscheidung über einen Visumsantrag auch die Dringlichkeit für die jeweiligen Klägerinnen und Kläger sowie in diesem Zusammenhang auch die Trennungsdauer sowie das Kindeswohl berücksichtigen müssen. Es empfiehlt sich eine anwaltliche Beratung zum konkreten Einzelfall.
Ansprechpartner im laufenden Visumsverfahren ist grundsätzlich die Auslandsvertretung, bei der der Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zweck des Familiennachzugs gestellt wurde (zu den deutschen Auslandsvertretungen: https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/03-WebseitenAV/Uebersicht_node.html).
Sollte sich eine Person, die nicht die antragstellende Person im Verfahren ist, an die Botschaft wenden, um z.B. Auskunft über den Verfahrensstand zu erhalten, ist eine Vollmacht der antragstellenden Person vorzulegen, da die Auslandsvertretung sonst keine Auskunft erteilt. Zudem sollte die Terminregistrierungsnummer oder Vorgangsnummer des konkreten Visumverfahrens im Schriftverkehr verwendet werden, damit die Auslandsvertretung die Anfrage zuordnen kann. Die Vorgangsnummer ist oben rechts auf der Quittung über die Einzahlung der Visumsgebühr zu finden.
Sollte die bearbeitende Auslandsvertretung keine Auskunft erteilen, besteht daneben die Möglichkeit, sich an die im Verfahren beteiligte Ausländerbehörde am beabsichtigten Wohnort zu wenden, um hier gegebenenfalls Erkenntnisse einzuholen (zur Suche nach der zuständigen Ausländerbehörde: https://bamf-navi.bamf.de/de/Themen/Behoerden/). Dies ist jedoch nur dann erfolgversprechend, soweit aufgrund der verstrichenen Zeit davon ausgegangen werden kann, dass die Akte bereits an die Ausländerbehörde versandt wurde. Auch hier ist an die Vorlage einer Vollmacht und Nennung der Vorgangsnummer zu denken.
Lässt sich auch durch eine telefonische bzw. schriftliche Anfrage bei der Auslandsvertretung oder Ausländerbehörde nicht klären, warum das Verfahren nicht voran schreitet, besteht grundsätzlich die Möglichkeit analog § 29 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder nach § 1 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Einsicht in die von den Behörden geführten Akten zu nehmen (vgl. Visumhandbuch, Abschnitt "Akteneinsicht und Auskünfte im Visumverfahren", S. 6 ff. und Visumhandbuch, Abschnitt "Informationsfreiheitsgesetz (IFG) – Umgang mit Anfragen zu Visumanträgen", S. 377ff., zum Verfahren s. auch Fragen und Antworten zum Informationsfreiheitsgesetz des AA). Die Auslandsvertretung gewährt eine solche Akteneinsicht jedoch in der Regel erst nach Erlass eines Erstbescheides. Weiterhin ist zu beachten, dass die Behörde in der Regel Kosten für die Akteneinsicht erhebt, was mit den Ratsuchenden besprochen werden sollte. Eine solche Maßnahme kann erheblich zur Klärung der bestehenden Hemmnisse beitragen.
Daneben kann es im Einzelfall (z.B. bei besonderer Dringlichkeit) förderlich sein, mit dem zuständigen Referat für Visaeinzelfälle 509 (509-R2(at)diplo.de) des Auswärtigen Amtes in Kontakt zu treten. Abermals sollten hierfür die Vorgangsnummer des Visumsverfahrens bzw. soweit erforderlich eine entsprechende Vollmacht übermittelt werden.
Lehnt die Auslandsvertretung einen Visumsantrag zum Zweck des Familiennachzugs ab, stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten, gegen diese Entscheidung vorzugehen.
Die erste Möglichkeit eines Vorgehens gegen die Ablehnung des Visumantrags besteht in der sogenannten Remonstration, die direkt bei der Auslandsvertretung erhoben werden kann. Hierbei müssen Gründe vorgetragen werden, welche die ausschlaggebenden Ablehnungserwägungen entkräften. Diese sind der antragstellenden Person bereits mit dem ersten schriftlichen Ablehnungsbescheid mitzuteilen (vgl. Visumshandbuch, Abschnitt "Remonstrationsverfahren"). Die Auslandsvertretung prüft im Rahmen des durch die Betroffenen initiierten Remonstrationsverfahrens erneut den ursprünglichen Visumsantrag unter Berücksichtigung der ergänzend vorgetragenen Argumente oder eingebrachten Unterlagen.
Sollte die ablehnende Entscheidung ergehen, ohne dass die tragenden Gründe der Ablehnung mitgeteilt worden sind, kann es ratsam sein, durch ein Schreiben an die Auslandsvertretung fristwahrend die Remonstration zu erheben. Zur Begründung einer solchen, vorsorglich erhobenen Remonstration kann auf das Vorbringen im bisherigen Verfahren verwiesen werden und es sollte angekündigt werden, dass nach Einsichtnahme in die behördliche Akte eine weitere Begründung erfolgen wird. Hierzu sollte gegebenenfalls anwaltliche Unterstützung hinzugezogen werden.
Ein Vorgehen im Wege der Remonstration ist dann ausgeschlossen, soweit der Ablehnungsbescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, die ausschließlich auf die Möglichkeit einer Klage verweist.
Wichtiger Hinweis für die Praxis: Die Vorlage des vollständigen Ablehnungsbescheides durch die Betroffenen ist für die Bestimmung des richtigen Vorgehens in der Beratungspraxis unabdingbar. Sollte dem Ablehnungsbescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt sein, ist der Wortlaut genau zu prüfen.
Ist der Ablehnungsbescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die nicht ausschließlich auf die Möglichkeit einer Klage hinweist, beträgt die Frist einen Monat nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides. Ergeht der Ablehnungsbescheid hingegen ohne Rechtsbehelfsbelehrung, beträgt die Frist für die Remonstration ein Jahr nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides.
Ist die Remonstration in zulässiger Weise erhoben und kommt die Auslandsvertretung nach Abschluss der erneuten Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Erteilung des begehrten Visums nicht in Betracht kommt, wird diese Entscheidung der antragstellenden Person abermals schriftlich mitgeteilt (sog. Remonstrationsbescheid). Gegen diesen Bescheid hat die den Nachzug begehrende Person die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim Verwaltungsgericht Berlin zu erheben. Dadurch, dass das Auswärtige Amt seinen Dienstsitz im Gerichtsbezirk des VG Berlin hat, ist dieses auch das erstinstanzliche Gericht für Verwaltungsangelegenheiten deutscher Auslandsvertretungen und somit für alle Entscheidungen über die Erteilung von Visa zuständig.
Die Möglichkeit der Klage besteht zudem auch unmittelbar nach Erhalt der erstmaligen Ablehnung des Visumsantrages seitens der Auslandsvertretung. Ein Remonstrationsverfahren muss nicht zwingend durchlaufen werden. Für die Klage gilt ebenfalls die Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides an die den Nachzug begehrende Person bzw. einen durch sie benannten Bevollmächtigte (vgl. Visumshandbuch, Abschnitt "Verwaltungsstreitverfahren").
Wird die Klage neben der Remonstration innerhalb der vorbezeichneten Monatsfrist erhoben, wird das Remonstrationsverfahren dadurch beendet und die ablehnende Visumsentscheidung allein im Klageverfahren überprüft.
Wichtiger Hinweis: Um zu entscheiden, welches Vorgehen gegen die ablehnende Visumsentscheidung der Auslandsvertretung im Einzelfall geeignet und zielführend ist, sollte fachkundiger, juristischer Rat eingeholt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Abwarten einer erneuten Entscheidung durch die Auslandsvertretung die Erfüllung der Voraussetzungen zur Visumserteilung gefährdet (z.B. drohende Volljährigkeit).
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